Romana Exklusiv 0197
seiner Gegenwart sehr bewusst gewesen.
Und seitdem ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sogar wenn sie mit Noel zusammen war, kreisten ihre Gedanken meist um Enrico Viveros.
Plötzlich bemerkte sie, dass ihre Eltern und Todd sie erwartungsvoll anschauten. „Natürlich erinnere ich mich an ihn“, beantwortete sie rasch die Frage ihres Vaters. „Noel konnte an dem Dinner nicht teilnehmen, weil er Unterlagen für den Rechtsanwalt vorbereiten musste. Nett von Señor Viveros, dass er geschrieben hat.“
„Er weiß eben, was sich gehört“, erwiderte ihr Vater. „Er lädt uns alle herzlich ein, seine Gäste zu sein, falls wir einmal nach Chile kommen sollten.“
Lysan bekam Herzklopfen. „Das wäre doch etwas für dich, oder?“, sagte sie zu ihrem Bruder, der gern herumreiste, um sich die Weinberge und Weingüter der Lieferanten anzuschauen.
„Ja, vielleicht fliege ich nächstes Jahr hin“, antwortete Todd ernst. In diesem Jahr war er bereits in Frankreich, Italien, Portugal und Spanien gewesen.
Lysan ließ das Thema fallen. Sie war so niedergeschlagen wie noch nie zuvor. Als sie später im Bett lag, wurde ihr bewusst, dass nicht nur Noel ihr Kopfschmerzen bereitete, denn sie ertappte sich dabei, wie sie sich ausmalte, mit Todd nach Südamerika zu fliegen.
Bestürzt rief sie sich zur Ordnung und versuchte einzuschlafen. In der Nacht wachte sie immer wieder auf. Sie war verwirrt und wünschte, ihr Vater hätte Enrico Viveros’ Brief nicht erwähnt. Es war bereits Ende November, doch das nächste Jahr schien in unendlich weiter Ferne zu liegen. Am liebsten hätte sie ihren Bruder gebeten, noch vor Weihnachten mit ihr nach Chile zu reisen.
Nachdem sie am nächsten Morgen geduscht und sich angezogen hatte, nahm sie sich vor, nicht mehr an den attraktiven Chilenen zu denken, sondern sich darauf zu konzentrieren, ihre Probleme mit Noel zu lösen. Doch plötzlich kam ihr eine Idee. Sie würde allein in Chile Urlaub machen, sie brauchte ihren Bruder gar nicht dazu.
Ach, was soll das alles?, dachte sie ungeduldig und ging hinunter zum Frühstück. Sie ärgerte sich über die chaotischen Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten. Natürlich fliege ich nicht nach Südamerika, was will ich überhaupt da?, überlegte sie gereizt.
„Hast du mir verziehen?“, fragte Noel sogleich, als er sie abholte.
Lysan wusste, worauf er anspielte, und hatte keine Lust, mit ihm über dieses Thema zu sprechen. „Natürlich“, erwiderte sie deshalb freundlich. Da wir heiraten wollen, wäre es eigentlich normal, über alles mit ihm zu reden, ging es ihr auf der Fahrt nach London durch den Kopf. Aber schon sein flüchtiger Hinweis auf seine Berührungen versetzte sie in Panik und schreckte sie ab.
„Sehen wir uns heute Abend?“, wollte Noel auf dem Weg vom Parkplatz ins Bürogebäude wissen.
„Komm doch zum Dinner. Ich sage Mrs. Mason Bescheid“, lud sie ihn ein. Aber nachdem sie die Tür ihres Büros hinter sich geschlossen hatte, war sie noch mehr beunruhigt als zuvor. Sie verstand nicht, warum sie so seltsam reagierte. Bin ich peinlich berührt oder nur gehemmt?, fragte sie sich. Doch weshalb sollte sie Noel gegenüber Hemmungen haben? Sie kannten sich doch schon seit ihrer Kindheit.
Noel kam am Abend nicht zum Dinner, weil er kurzfristig nach Schottland fliegen musste, um sich persönlich um ein geschäftliches Problem mit einem der Großhändler zu kümmern.
Während ihr Vater und Todd sich beim Essen unterhielten, erklärte Lysan unvermittelt: „Ich habe mich entschlossen, Urlaub in Südamerika zu machen.“
Alle schauten sie an. „Wie bitte, Lysan?“ Ihr Vater glaubte offenbar, sich verhört zu haben.
Lysan war selbst verblüfft und konnte sich das, was sie soeben gesagt hatte, nur mit dem Stress der vergangenen zwei Tage erklären, in den sie sich hineingesteigert und der sich plötzlich ein Ventil gesucht hatte. Doch nachdem sie es ausgesprochen und ihre Familie informiert hatte, hatte die Idee Gestalt angenommen. Trotz der vielen Gedanken, die sie sich tagelang gemacht hatte, wusste Lysan immer noch nicht, was mit ihr los war. Am liebsten hätte sie sich ihrer Mutter anvertraut, wagte es jedoch nicht, weil diese Noel so gern hatte wie ihren eigenen Sohn und sicher darauf bestanden hätte, ihn so kurz nach dem Tod seiner Eltern nicht zusätzlich zu belasten.
„Ich habe mich gestern dazu entschlossen, als du mit Todd über Südamerika geredet hast“, antwortete Lysan ihrem Vater. Eines war ihr völlig
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