Romana Exklusiv 0224
ersten zweiundsiebzig Seiten? Vergebens suchte sie auf dem anderen Schreibtisch danach und stieß währenddessen auf Unterlagen, die sich auf den Olivenhandel bezogen.
„Kann ich Ihnen helfen, oder soll ich Sie nach Herzenslust weiterschnüffeln lassen?“
Rachel wirbelte herum. Luis stand auf der Türschwelle und betrachtete sie so forschend, dass sie sich unbehaglich fühlte. „Ich habe die ersten Seiten gesucht. Es ist ein Buch, oder? Nur fängt es erst mit Seite dreiundsiebzig an.“
„Maria hat bereits einen Teil abgeschrieben, bevor sie sich verletzt hat. Ich sagte Ihnen doch, dass Sie eine neue Datei anlegen sollen, wenn Sie ihre nicht finden können.“
„Oh, ja.“ Wie blamabel! Dabei hatte sie nur systematisch vorgehen wollen. „Dann sehe ich im Computer nach“, erklärte sie so würdevoll wie möglich.
Sie versuchte, die Blätter zu einem ordentlichen Stapel zusammenzulegen, wurde unter seinem prüfenden Blick aber immer nervöser. Verdammt, sie wollte doch nicht das Familiensilber stehlen! Warum verschwand er nicht einfach wieder? Mutig blickte sie ihn an. „Soll ich auch Anrufe entgegennehmen und die Post bearbeiten?“
„Die Post kann warten, bis Sie mit dem Manuskript auf dem aktuellen Stand sind. Ich nehme sie nach Benidorm ins Büro mit, wo sie erledigt wird. Das Telefon wird nicht häufig klingeln. Ich gehe selbst an den Apparat, wenn ich hier bin, und wenn nicht, tun Sie es und hinterlassen mir eine Notiz.“
„Werden Sie oft nicht da sein?“
„Warum?“ Skeptisch blickte er sie an.
„Damit ich weiß, wie viel Zeit ich für die Telefonate einplanen muss.“
„Ich arbeite in Benidorm.“
„Sie schreiben dort?“
„Ich habe gesagt, dass ich dort arbeite.“
Angesichts des dicken Manuskripts musste er viel Freizeit haben. „Was machen Sie?“
„Für jemanden, der keine Reporterin sein will, stellen Sie viele Fragen.“
„Schon gut vergessen Sie’s. Ich habe ohnehin zu tun.“
„Es ist nach fünf. Sie können die Arbeit ruhig bis morgen liegen lassen.“
„Dann erwarten Sie nicht, dass ich rund um die Uhr schufte“, meinte Rachel leise.
Luis zog die Augenbrauen hoch, ignorierte ihre Bemerkung aber ansonsten. „Wenn Sie Hunger haben und zu Abend essen wollen, bedienen Sie sich.“
„Ich weiß nicht, wo die Küche ist.“
„Gehen Sie in der Diele rechts den Flur entlang bis zum Ende.“
Rachel legte den Blätterstapel auf den Schreibtisch in der Nähe des Computers. Sie war sehr gespannt darauf, zu ergründen, ob ihr das Buch gefiel. „Wie lange schreiben Sie bereits?“
„Schon wieder eine Frage?“
„Sollte sich eine Sekretärin nicht für die Arbeit ihres Chefs interessieren? Wären Sie etwas auskunftsfreudiger, bräuchte ich vielleicht nicht so viel zu fragen. Hat Ihr anderer Job etwas mit der Zucht von Oliven zu tun?“ Sie nahm einen umfangreichen Bericht in die Hand, der von einem gewissen Juan stammte.
„Mit der Zucht von Oliven?“
Wieder glaubte sie, dass sich ein Anflug von Belustigung in seinen dunklen Augen spiegelte. „Oder mit dem Anbau von Oliven? Was auch immer.“
„Ich leite das Alvares Olivenkonsortium. Meine Familie hat es vor vier Generationen gegründet“, erklärte Luis. „Ja, ich schätze, man kann sagen, dass wir Oliven anbauen. Wir verarbeiten sie auch zu dem feinsten Öl und exportieren Früchte nach Amerika.“
„Und in Ihrer Freizeit schreiben Sie? Fühlen Sie sich mit der Unternehmensführung nicht genug ausgelastet?“
Er neigte den Kopf zur Seite. „Ich schreibe gern.“
„Englische Literatur war mein Hauptfach im College. Ich bin nur überrascht, dass Sie nicht in Ihrer Muttersprache schreiben.“
„Ich bin im Englischen wie im Spanischen gleichermaßen zu Hause. Meine Mutter ist Amerikanerin.“
„Ah, ja.“ Ihr fiel nichts weiter ein, was sie sagen konnte, ohne erneut eine der Fragen zu stellen, die sich ihr aufdrängten. Wie hatten sich seine Eltern kennengelernt? Lebten sie beide noch? Hatte er bereits Bücher in den Vereinigten Staaten veröffentlicht? Sollte ihr sein Name vertraut sein? Von einem Luis Alvares hatte sie noch nichts gehört oder gelesen. Allerdings kannte sie nun wirklich nicht jeden Autor, der in Amerika ein Buch veröffentlicht hatte.
Rachel wandte sich zur Tür, um in die Küche zu gehen und sich etwas zu essen zuzubereiten. Es war zwar noch sehr früh, aber sie war viele Stunden unterwegs gewesen und ausgesprochen müde. Ja, sie flüchtete. Doch es war auch schwierig, diesem
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