Romana Exklusiv 0225
manchmal keine Zeit blieb, nachzudenken.
Stephanie stand auf dem Fußweg und schaute an dem vierstöckigen Apartmenthaus hoch, in dem ihre Wohnung war. Es lag an der achten Straße West, zwischen Columbus und Amsterdam Avenue. Das Apartment war klein und ein wenig dunkel, aber von ihrem Wohnzimmer aus und von ihrem Balkon mit den Blumenkästen hatte sie einen hübschen Blick.
Es war eine gute Idee gewesen, allein zurückzureisen. So hatte sie Zeit gehabt, über alles noch einmal in Ruhe nachzudenken. Mit Matthew an ihrer Seite wäre sie dazu nicht in der Lage gewesen.
Stephanie schloss die drei Sicherheitsschlösser ihrer Eingangstür auf, sammelte Briefe, Werbesendungen und Zeitungen auf und öffnete das Fenster, um die stickige Luft aufzufrischen.
Nach einer schnellen Dusche schlüpfte sie in ein T-Shirt und ein paar bequeme Jeans. Dann ging sie hinüber zu ihrem Anrufbeantworter, der heftig blinkte. Sie wusste, dass mindestens zehn Anrufe von ihrer Familie darauf sein würden. Stephanie drückte auf den Knopf und hörte die Stimme ihrer Mutter.
„Stephanie, bist du wieder zu Hause? Großmutter hat gesagt, du musstest geschäftlich verreisen, aber sie wusste nicht, wohin. Sie hat irgendetwas von einer tropischen Insel erzählt. Das war doch wohl ein Scherz, oder? Ich habe dich ein paar Mal auf dem Handy angerufen, aber du hast nicht geantwortet.“ Eine lange Pause, in der sie nur das Atmen ihrer Mutter hörte. „Ich nehme an, du bist nicht am Sonntag zu unserem Familienessen zurück. Es gibt dein Lieblingsessen, Lasagne. Ruf mich an, wenn du wieder da bist, damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist.“
Aber Stephanie hatte keine Lust, ihre Mutter jetzt anzurufen und sich mindestens eine halbe Stunde lang ausfragen zu lassen. Sie dachte an Matthew und fragte sich, wie sie ihm morgen im Büro gegenübertreten würde.
Zwei Wochen. Sie würde die Tage zählen, die Stunden, die Minuten. Sie hatte den größten Fehler ihres Lebens gemacht … und jetzt musste sie die Folgen davon tragen.
Sie hörte die anderen Anrufe ab – wieder ihre Mutter, zweimal ihre Großmutter, alle ihre Schwestern, Angie, die wissen wollte, ob Stephanie schon ein Kleid für die Hochzeit gefunden hatte. Schon in zwei Wochen sollte das Fest stattfinden.
Angies Hochzeit beschäftigte die ganze Familie seit Monaten. Stephanie hatte schon jetzt Angst vor der Feier, weil mit absoluter Sicherheit wieder ein Dutzend Freunde und Bekannte sie fragen würden, wann sie, die älteste der fünf Rossi-Mädchen, denn endlich an der Reihe sei. Sie würde sich ganz im Hintergrund halten. Dann würde sie nicht so offensichtlich die Rolle des schwarzen Schafes der Familie spielen.
Plötzlich läutete das Telefon. Stephanie nahm den Hörer nicht ab, hörte aber die Nachricht mit, die ihre Großmutter hinterließ.
„Hallo, Stephanie, hier ist Nana. Bist du von deiner tropischen Insel zurück? Ich habe es den anderen erzählt, aber sie haben mir nicht geglaubt. Dein Vater glaubt, ich wäre senil. Er redet mit mir wie mit einem Kind. Ich habe in der Kirche eine Kerze für dich angezündet. Du rufst deine Nana bald an, ja?“ Es klickte, als ihre Großmutter auflegte.
Am Montagmorgen saß Stephanie in ihrem Büro und sortierte die Berichte aus den verschiedenen Hotels, die sich inzwischen angesammelt hatten.
Bei jedem Geräusch auf dem Korridor begann ihr Herz heftig zu schlagen. Doch sie war sicher, dass Matthew nicht vor neun Uhr da sein würde, also erst in einer knappen Stunde.
An diesem Morgen hatte sie sich besonders sorgfältig gekleidet. Sie trug einen marineblauen, eleganten Hosenanzug mit einer Jacke mit langen, schmalen Revers und eine taillierte weiße Bluse. Der Hosenanzug strahlte eine gewisse Distanziertheit aus, die Matthew in keiner Weise zu dem Schluss kommen lassen würde, sie wäre bereit, wieder mit ihm ins Bett zu gehen.
Stephanie konnte einfach nicht glauben, was geschehen war. Hatte sie nun tatsächlich eine Affäre mit Matthew – oder wie sollte sie es sonst bezeichnen? Auch wenn es nur eine einzige Nacht, eine berauschende, unvergessliche Nacht, gewesen war.
Sein Charme hatte sie verführt. Jeder Frau mit normalen Empfindungen, die so eng mit ihm zusammenarbeitete, würde dieser Charme zum Verhängnis werden. Matthew hatte etwas an sich, das sie überwältigt hatte. Sie hatte vollkommen die Kontrolle über ihre Gefühle verloren. Dennoch hatte Stephanie beschlossen, wegen dieses Ausrutschers nicht zu hart mit sich selbst
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