ROMANA EXKLUSIV Band 0173
hatte sie die Freude an ihrer Arbeit verloren. Trotzdem hatte es wehgetan, das Geschäft, das sie zusammen mit Tegan aufgebaut hatte, aufzugeben. Jung und unerfahren, hatten sie klein angefangen und sich zur Spitze hochgearbeitet. Marian letzter Auftrag war die Innenausstattung von Neuseelands neuer Botschaft in Simbabwe gewesen.
In der ersten Reaktion auf Geralds Treuebruch war es ihr nur natürlich erschienen, alle Zelte abzubrechen und ganz neu anzufangen. Inzwischen hatte sie sich allerdings des Öfteren gefragt, ob es nicht feige von ihr gewesen sei, vor ihrer zerbrochenen Ehe bis nach Fala’isi zu fliehen.
Die fröhliche Musik der Inselband schallte von der Hotelanlage herüber. Marian brauchte sich nur umzudrehen, dann würde sie die Lichter und die bewusst flachen Gebäude unter den Palmen sehen. Wenn sie eine Bestätigung suchte, dass sie als Frau noch attraktiv genug war, brauchte sie nur zurückzugehen. Auf Sams Party konnte sie lachen und flirten, ja, sogar mit einem der Sportler ins Bett gehen, wenn sie nur wollte.
Der Gedanke war ihr zuwider. Entschlossen ging sie auf das Haus zu, in dem sie wohnte, ein tropisches Traumschloss, das einem reichen Amerikaner gehörte, der allenfalls alle drei Jahre einmal Zeit fand, sich dort aufzuhalten. Marian passte sozusagen auf das Haus auf, obwohl das im Grunde nicht nötig war, denn auf Fala’isi gab es so gut wie keine Kriminalität.
Es war das einzige Haus an diesem Ende des Strands, und die Hotelgäste verirrten sich nur selten bis dorthin. Deshalb zuckte Marian erschrocken zusammen, als sich plötzlich eine dunkle Gestalt aus dem Schatten der Kokospalmen löste und eine tiefe Männerstimme sie ansprach: „Guten Abend.“
Ein Neuseeländer, dachte Marian sofort. Der Akzent war ebenso unverkennbar wie der knappe, herrische Ton. Natürlich. Robert Bannatyne.
„Guten Abend“, erwiderte sie zögernd. Fala’isi mochte zwar einer der sichersten Orte auf der Welt sein, dennoch hatte es den einen oder anderen Vorfall gegeben. Mit einem flüchtigen Lächeln eilte Marian weiter.
Hatte er gehört, wie sie zu ihrem Schatten gesprochen hatte? Und wenn, was kümmert es dich?, versuchte sie sich zu beruhigen. Sie würde ihm vermutlich nicht noch einmal begegnen. Der Gedanke war ihr nur etwas peinlich, mehr nicht.
Doch Robert Bannatyne beschäftigte Marian offenbar mehr, als sie sich eingestehen wollte. Nachdem sie zu Hause geduscht hatte, setzte sie sich in das Zimmer, das sie als Atelier nutzte, und zeichnete mit sicheren Strichen das Gesicht des Mannes, der sie so forschend beobachtet hatte, als sie den Strand entlanggekommen war.
Lächelnd betrachtete sie die fertige Skizze. Sie hatte die markanten Gesichtszüge gut getroffen und auch den ausgeprägt sinnlichen Zug um den Mund, den alle Selbstdisziplin nicht verbergen konnte. Wunschdenken? Die heimliche Sehnsucht einer jeden Frau nach dem gefährlichen dämonischen Geliebten? Selbst wenn Robert Bannatyne tatsächlich an ihr interessiert war, wäre sie verrückt, sich mit ihm einzulassen. Nachdenklich folgte sie mit dem Zeigefinger den Konturen seines Gesichts: diese gerade Nase, das energische Kinn, der schöne Mund, der so viel verriet. Was hatte diesen Mann veranlasst, eine Mauer eiserner Selbstbeherrschung um sich zu errichten?
Marian schob alle Gedanken an Robert Bannatyne und diesen Tag beiseite und ging ins Bett.
Es war einer jener frischen, milden Morgen, wie er für Fala’isi typisch war. Marian lag wach in dem großen Doppelbett, lauschte auf das Gurren einer Taube in dem Brotfruchtbaum draußen vor dem Fenster und kam zu dem Schluss, dass sie einen Meilenstein in ihrem Leben hinter sich gelassen hatte. Die Scheidung war durch, ihr dreißigster Geburtstag vorbei. Sie konnte aufhören, der Vergangenheit nachzutrauern, und ihr Leben in Angriff nehmen.
Nach dem Frühstück nahm sie eine Mappe mit neuen Arbeiten – fröhlich bunte Acryl-Landschaften von der Insel, die sich sehr gut verkauften – und ging damit über den Strand in Richtung Hotel. Obwohl es schon recht warm war, lagen Strand und Wasser verlassen da. Die Touristen kamen meist erst hervor, wenn die Sonne hoch am Himmel stand, wodurch sie nach Marians Ansicht den schönsten Teil des Tages verpassten.
Im Foyer der Hotelanlage wurde Marian auf dem Weg zum Andenkenladen von Sam aufgehalten.
„Neue Arbeiten, Marian?“, fragte er. „Asa sagt, deine Bilder verkaufen sich bestens. Die Touristen, die wissen, was Qualität ist, sind ganz
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