ROMANA EXKLUSIV Band 0173
Neuseeland. Sie waren in jenen ersten Monaten auf Fala’isi entstanden, als sie ihr Leben am Ende wähnte.
„Was verlangen Sie für Ihre Werke?“
Roberts nüchterne Frage schreckte Marian aus ihren Betrachtungen. Sie hatte noch keinen Gedanken an den Preis verschwendet. Wie unprofessionell von ihr! Rasch nannte sie einen Betrag, den sie für angemessen hielt.
„Insgesamt oder pro Bild?“
Hielt er sie wirklich für so dumm? „Pro Bild“, erwiderte sie eine Spur zu heftig.
„Gut. Gilt derselbe Preis auch für das dritte Bild?“
Marian drehte das dritte Gemälde um. Es war eine betont realistische und detailgetreue Darstellung einer Gebirgslandschaft aus der Vogelperspektive. Nur waren es nicht die Berge Neuseelands mit ihrer üppigen Vegetation in dem für das Land typischen feuchten Klima. Nein, dies war ein Land, in dem der Boden und die Luft über Jahrhunderte unter einer sengenden Sonne ausgedörrt worden waren, das uralte Skelett eines Gebirges, wild, grausam und gnadenlos. Am oberen Bildrand ragten die Klauen eines Adlers in das Dreieck eines erbarmungslos blauen Himmels.
Marian schluckte. „Es tut mir leid. Das Bild steht nicht zum Verkauf“, sagte sie mühsam.
„Warum nicht?“
Weil es auf einer Erfahrung beruhte, die sie immer noch nicht verarbeitet hatte. „Es tut mir leid“, wiederholte Marian gereizt. „Ich weiß nicht, wie es überhaupt unter die anderen Bilder geraten ist.“
„Wenn ich dieses nicht bekomme, nehme ich keines.“
Es klang endgültig, und Roberts entschiedenes Gesicht verriet, dass es ihm absolut ernst war. Marian zögerte. Das Leben auf Fala’isi war billig, auch wenn sie sich an den Nebenkosten für das Haus beteiligte. Der Erlös aus dem Verkauf der Landschaften für die Touristen reichte mehr als aus, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wenn sie aber irgendwann nach Neuseeland zurückkehren würde, musste sie sich dort ein Haus kaufen, wofür sie eine stattliche Summe brauchen würde.
Sie betrachtete das Bild in ihren Händen, sah den Schmerz und die Angst, die unbändige Wut und die Demütigung, die jedem daraus entgegenschlug, der einen Blick dafür hatte. Robert Bannatyne besaß diesen Blick, und Marian empfand die Tatsache, dass er dieses Bild kaufen wollte, wie eine Verletzung ihrer Privatsphäre.
Andererseits war es vielleicht für sie die Chance, sich endlich von dem schrecklichen Erlebnis in El Amir frei zu machen, wenn sie ihm dieses Bild verkaufte. Ihre Freundin Tegan hatte immer wieder den Verdacht geäußert, dass Marian sich nur deshalb nicht von dieser Serie von Gemälden trennen wolle, weil sie sich unbewusst dagegen sträube, die traumatischen Wochen loszulassen, die sie vor zweieinhalb Jahren als Gefangene in El Amir, einem kleinen Emirat im Mittleren Osten, durchlebt hatte. Möglicherweise hatte Tegan recht.
„Also gut, Sie können das Bild haben.“
„Wie viel?“
Sein sachlicher Ton konnte Marian nicht darüber hinwegtäuschen, dass Robert zumindest eine Ahnung von der tieferen Bedeutung der von ihm ausgewählten Gemälde hatte. In plötzlichem Zorn nannte sie eine astronomisch hohe Summe.
Robert Bannatyne verzog keine Miene. „Akzeptieren Sie auch Kreditkarten?“, fragte er nur.
„Nein.“
„Dann muss ich Ihnen einen Scheck ausstellen. Ich bleibe noch ein paar Tage hier, sodass Sie ihn bis zu meiner Abreise prüfen lassen können. Ach ja, ich hätte gern eine Quittung.“
Besaß dieser Mann überhaupt kein Gefühl? Marian blickte gequält auf das Bild, bis die Konturen der Berge vor ihren Augen verschwammen. „Ja, natürlich“, sagte sie ausdruckslos. „Ich werde die Bilder hier für Sie aufheben, bis Sie abreisen.“
„Zumindest, bis die Bank den Scheck geprüft hat“, entgegnete er lakonisch.
Zehn Minuten später, als Marian allein war, entschied sie sich, sofort in die Stadt zu fahren und den Scheck bei der Bank einzureichen. Es war verrückt, aber sie wollte nicht einmal einen Scheck von Robert Bannatyne im Haus haben. Sie hatte das beunruhigende Gefühl, dass dieser Mann schon viel zu viel von ihr wusste. Er hatte einen Blick hinter die schützenden Mauern geworfen, die sie so sorgsam um sich errichtet hatte, und konnte ahnen, welche Leere sich dahinter verbarg.
Ohne zu zögern, brach Marian auf. Der Bus würde in zehn oder zwanzig Minuten fahren. Denn das zählte zu den typischen, sympathischen Eigenarten dieser kleinen Insel: Auf Fala’isi ließ sich nicht einmal der Bus in einen starren Zeitplan
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