ROMANA EXKLUSIV Band 0173
durch, ehe sie auf eine Bank zuhumpelte, die im Schatten der ausladenden Zweige eines Regenbaums stand. Von hier aus bot sich ein herrlicher Blick auf die Lagune und das Riff.
Marian saß reglos da und genoss die wohltuende Stille, die hier und da von einem vereinzelten Geräusch durchbrochen wurde: das fröhliche Lachen einiger Krankenschwestern auf dem Weg zu ihrer Schicht, das Gurren eines Taubenpärchens, ein Auto, das die Auffahrt hochkam. Und über allem schwebte hell und glockenklar der Ruf des Tikau-Vogels. Marian horchte auf, lauschte erwartungsvoll. Der Ruf erklang erneut, verheißungsvoll und lockend, und plötzlich fühlte sie auf wundersame Weise neue Hoffnung in sich wachsen.
Seltsam, dachte sie. Anders als Robert, der ein Musikkenner und – liebhaber war, war sie eigentlich ein visueller Mensch, der sich eher von Farben und Formen ansprechen ließ. Und doch hatte der Ruf eines kleinen Vogels eine verstummte Saite in ihrem Herzen angeschlagen und ihre Seele von den Fesseln der Verzweiflung befreit.
Und da war es wieder, dieses vertraute Kribbeln im Nacken. Fast wider Willen blickte sie hoch. Robert stand da und schaute sie unbewegt an.
„Robert?“, hauchte sie ungläubig.
„Tamsyn hat mich gestern angerufen und mir von deinem Unfall erzählt“, sagte er schroff und kam näher. „Geht es dir wirklich gut?“
Marian las die Angst in seinen unwahrscheinlich blauen Augen, Angst um sie. „Ja“, antwortete sie ruhig. „Es geht mir gut. Komm, setz dich zu mir.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich wage es nicht. Ich hätte nicht kommen sollen … eigentlich wollte ich nie mehr wiederkommen, aber ich musste mich vergewissern, dass es dir gut geht.“
Sie hielt den Atem an. „Warum?“
„Weil ich dich liebe“, sagte er freimütig. „Weil ich sterben würde, wenn dir irgendetwas zustoßen würde.“
Jetzt müssten eigentlich Glocken läuten, dachte Marian. Musik müsste in der Luft schwingen … Doch es blieb alles still. Das Einzige, was sie hörte, war das Pochen ihres Herzens und der helle Ruf des Tikau-Vogels. Die alte polynesische Legende fiel ihr wieder ein. Danach verhieß der Tikau-Vogel dem, der ihn hörte, die große Liebe. Von Glück war keine Rede.
„Ist das so schlimm?“, fragte sie schließlich, als Robert weiter schwieg. Ihre Stimme zitterte. „Ich liebe dich auch. Aber das weißt du ja.“
„Ich hatte gehofft, ich hätte mich geirrt“, gestand er. Zögernd fügte er hinzu: „Du darfst nach Hause, wenn sich jemand um dich kümmert. Soll ich bei dir bleiben?“
„Willst du es?“
„Ja“, antwortete er fest. „Ich will bleiben.“
Danach ging alles rasend schnell. Ehe Marian begriff, wie ihr geschah, hatte Robert mit Charme und Entschlossenheit ihre Entlassung aus dem Krankenhaus bewirkt. Sie versuchte, ihre verwirrten, aufgewühlten Gefühle im Zaum zu halten, doch ihr Blick schweifte immer wieder voll Zärtlichkeit zu dem Mann, den sie so liebte. Und sie wusste, dass die Schwestern hinter ihrem Rücken neidische Blicke austauschten.
Und sie hatten allen Grund, neidisch zu sein. Robert führte sie davon wie ein triumphierender Krieger, der einen hart umkämpften Preis errungen hatte. Marian nahm sich vor, ihn zu nichts zu drängen. Die Gründe für seine Verschlossenheit waren schließlich immer noch da. Sein Liebesgeständnis war ein Beginn, auf dem man behutsam aufbauen musste.
Als sie ankamen, trug er sie trotz ihres Protests zum Haus und legte sie auf der Terrasse fürsorglich auf eine Liege. „Rühr dich nicht vom Fleck“, befahl er und küsste sie zart. „Der Arzt hat gesagt, du musst dich noch ein paar Tage schonen. Ich hole uns einen kühlen Drink, und dann sehen wir gemeinsam dem Sonnenuntergang zu.“
„Was ist mit Abendessen …?“
„Das wird vom Hotel gebracht. Morgen soll deine Sina für uns auf dem Markt einkaufen. Keine Sorge, bei meinen Kochkünsten werde ich dich bald wieder aufgepäppelt haben.“
Marian war zu glücklich, um seinen Anordnungen zu widersprechen.
Als sie später, nach dem Abendessen, mit Robert auf der Terrasse saß und auf die stille Lagune hinausblickte, die nun allmählich im Grau der Abenddämmerung versank, dachte Marian verträumt, dass all die Verzweiflung, all die Qualen den Preis wert gewesen waren. Sie hatte Robert wieder. Noch wagte sie nicht, über sein unerwartetes Liebesgeständnis nachzudenken … aber sie bewahrte es in ihrem Herzen wie einen kostbaren Schatz, der alles überstrahlte.
„Wärst du auch
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