ROMANA EXKLUSIV Band 0179
Appetitlosigkeit darauf zurückzuführen, dass sie seekrank gewesen sei. Und wenn sie sich heute anders benahm als sonst, würde er dies sicher ebenfalls damit entschuldigen. Aber wie sollte sie sich in Zukunft ihm gegenüber verhalten? Richard stand zwischen ihnen – seitdem sie mit Jon auf die Insel gekommen war. Anfangs war Helen deswegen lediglich besorgt gewesen. Nun aber hatte sie Angst. Nicht, dass sie fürchtete, Richard würde Jon von jener Nacht erzählen. Er würde nichts tun, um seinem Sohn wehzutun, dessen war sie sich sicher.
Helen sorgte sich am meisten über das, was heute Nachmittag passiert war. Während sie an Bord duschte, hatte sie sich die ganze Zeit gefragt, wie sie sich verhalten würde, falls Richard sie erneut küsste. All ihre Sinne hatten auf die Berührung seiner Lippen reagiert …
„Hast du Lust, nach dem Essen mit mir in die Stadt zu gehen?“
Jons Frage riss Helen aus ihren Tagträumen. Gerade hatte sie sich ausgemalt, wie es wäre, gemeinsam mit Richard zu duschen. „Ah …“ Verzweifelt versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen. Aber das schmerzliche Ziehen in der Magengegend machte dies beinah unmöglich. „Besser … nicht“, stammelte sie schließlich. „Sei mir bitte nicht böse, aber ich bin sehr müde. Es wird mir sehr guttun, früh ins Bett zu gehen.“
„Na schön.“ Als Jon sie neugierig ansah, fragte Helen sich, was er wohl dachte. Möglicherweise hatte er Verdacht geschöpft, dass etwas zwischen ihr und seinem Vater vorgefallen war. Und dabei hatte Richard sie lediglich geküsst …
„Ich dachte, der gestrige Ausflug in die Stadt hätte deine Bedürfnisse nach Unterhaltung befriedigt, Jon“, bemerkte Victoria gehässig. Zum ersten Mal war Helen ihr dankbar für die boshafte Bemerkung. Vielleicht könnte Jon so vom Thema der Unterhaltung abgelenkt werden.
„Eigentlich solltest du dich bei mir bedanken“, antwortete Jon gelassen. „Du wolltest doch, dass die Presse über die Eröffnung berichtet. Nun, mit meiner Hilfe hast du dein Ziel erreicht.“
„Danke, aber auf die Art von Werbung kann ich verzichten“, erwiderte Victoria und läutete, damit das Hausmädchen kam, um den Tisch abzuräumen. „Obwohl ich sagen muss, dass du genau die Presse bekommen hast, die du verdienst.“
Das saß. Jon holte wütend Luft. „Wage es ja nicht, mich zu kritisieren“, drohte er. „Nur weil ich den Ablauf des Abends etwas durcheinandergebracht habe! Was ist denn los? Hat Luther deine Erwartungen etwa nicht erfüllt? Wie ich hörte, hast du ihm den ganzen Abend nachgestellt wie eine läufige …“
„Jon!“
„Wie kannst du es wagen!“
Helen und Victoria sprachen gleichzeitig, aber Jon beachtete keine von beiden.
„Und da wir schon beim Thema sind“, fügte er hinzu, während sich das Gesicht seiner Tante purpurrot verfärbte, „woher nimmst du eigentlich das Recht, mich daran zu hindern, an der Eröffnung teilzunehmen? Du glaubst zwar, es sei deine Galerie, aber es ist mein Vater, der sie finanziert. Und ich bin sein Sohn.“
„Manchmal bezweifle ich das“, erklärte Victoria, und Helen, die derartige Familienzwistigkeiten nicht gewohnt war, wollte am liebsten davonlaufen.
„Nun, ich bin es aber“, sagte Jon kalt und verzog spöttisch die Mundwinkel. „Und hier ist mein Zuhause. Vergiss nicht, eines Tages wird das Haus mir gehören – und nicht dir.“ Dann warf er wütend die Serviette auf den Tisch, schob den Stuhl zurück und ging aus dem Zimmer.
„Leider“, murmelte Victoria, aber ihre Worte waren kaum hörbar. Bislang hatte sie bei jedem Wortgefecht mit ihrem Neffen den Kürzeren gezogen, und so war es auch heute.
Helen vermutete, dass Victoria ihr nicht verzeihen würde, unfreiwillig Zeugin dieser Erniedrigung gewesen zu sein. Da in diesem Augenblick das Hausmädchen erschien, um abzuräumen und das Dessert zu servieren, war Helen jedoch gezwungen am Tisch sitzen zu bleiben.
„Sie sind sehr blass“, bemerkte Victoria kritisch, während sie einen Löffel von der Karamellcreme aß. „Fehlt Ihnen etwas? Ich habe gehört, Ihnen war heute Nachmittag übel.“
„Ich bin nicht schwanger, falls Sie darauf anspielen“, antwortete Helen barsch. „Und falls Sie es nicht wissen sollten, Schwangerschaften verursachen normalerweise keine Übelkeit am Nachmittag.“
„Sparen Sie sich Ihre Beleidigungen“, fauchte Victoria. „Ich weiß über Schwangerschaften bestens Bescheid, Miss Caldwell. Meine Schwägerin hat gründlich dafür
Weitere Kostenlose Bücher