Romana Extra Band 1
flüchtigen Blick zurück. Er schien sie vergessen zu haben, kaum dass er ihr den Rücken zugedreht hatte. Umgekehrt konnte Beth das nicht von sich behaupten. Und warum nur hörte ihr Herz nicht endlich auf zu flattern?
Sie atmete tief durch und begann ihre Kleidungsstücke zusammenzusammeln.
3. KAPITEL
Es ging auf Mittag zu, als Luís frustriert die Akte beiseiteschob. Nun brütete er bereits seit Stunden über diesen Unterlagen, aber er war so zerstreut, dass er es nur mit Mühe schaffte, sich zu merken, was er las. Das sah ihm ganz und gar nicht ähnlich. Normalerweise ließ er sich durch nichts von der Arbeit ablenken.
Und angesichts der prekären Situation, in der seine Firma im Augenblick steckte, konnte er sich Ablenkung auch nicht leisten. Seit die Yolanda vor der Küste beinahe gesunken wäre, hagelte es Stornierungen. Dabei lag die Verantwortung für die Havarie der Yolanda überhaupt nicht bei Luís und seinen Leuten. Doch dafür interessierten sich weder die Medien noch die Kunden, ohne die sich nun mal kein Unternehmen dauerhaft über Wasser halten konnte.
Luís hatte also eigentlich gar keine Zeit, sich um etwas anderes Gedanken zu machen als die Frage, wie es gelingen sollte, das negative Image, das Alquiler Santiago seit dem Unfall anhaftete, wieder loszuwerden. Was wir brauchen, sind positive Schlagzeilen, überlegte er nüchtern. Aber woher nehmen? Gleich nach der Katastrophe war er der Anfrage eines Reporters nachgekommen und hatte sich einem Interview gestellt. Angeblich sollte es ihm Gelegenheit geben, seine Sicht der Dinge zu erläutern. Der Artikel allerdings sprach eine vollkommen andere Sprache. Er stellte Luís als skrupellosen Unternehmer dar, der nichts Besseres zu tun hatte, als den Opfern der Katastrophe sämtliche Schuld zuzuschieben. Seitdem wusste Luís, dass Journalisten nicht zu trauen war. Aber wie sollte er ohne Zusammenarbeit mit den Medien eine breite Öffentlichkeit erreichen?
Er musste sich etwas einfallen lassen, und zwar schnell. Doch auch wenn er sich völlig darüber im Klaren war – es wollte ihm heute einfach nicht gelingen, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren. Nein, korrigierte er sich im Stillen. Gestern auch schon nicht. Da hatte es angefangen. Und schuld daran war eine Frau, die er nicht kannte, deren Auftauchen ihn aber aus irgendeinem Grund beunruhigte.
Bethany Coldwell.
Wobei es nicht ganz stimmte, dass er sie nicht kannte. Gesehen hatte er sie schon früher, aber da waren sie noch Kinder gewesen! Trotzdem – wenn er die Augen schloss und seine Gedanken zurückwandern ließ, sah er sie wieder vor sich: die kleine Engländerin mit den Sommersprossen und dem flammend roten Pferdeschwanz, die mit ihren Freundinnen am Strand Muscheln sammelte. Damals, vor dem Sommer, in dem Laura verschwand …
Er verscheuchte den Gedanken an die Vergangenheit. Es gab einen Berg Probleme im Hier und Jetzt, mit denen er sich beschäftigen musste. Vielleicht war es deswegen auch keine besonders gute Idee, sich mit Bethany Coldwell zu treffen.
Zudem war die Bethany Coldwell von heute eine Fremde für ihn. Warum sollte er sich also mit ihr abgeben? Er hatte sie aus dem Wasser gezogen, ja. Aber einem Menschen das Leben zu retten, war eine Selbstverständlichkeit, die keinen der Beteiligten zu irgendetwas verpflichtete. Und ohnehin tat er besser daran, sich von ihrer Attraktivität nicht blenden zu lassen.
Wie aufs Stichwort tauchte ihr Bild vor seinem geistigen Auge auf. Er sah sie vor sich, wie ihr das tropfnasse rote Haar in Wellen über die Schultern fiel. Sah ihre alabasterfarbene Haut, den türkisfarbenen Bikini, der nur wenig verhüllte und dabei Neugier auf mehr weckte. Ihre melancholischen grauen Augen, die mehr gesehen zu haben schienen, als gut für sie war …
Hör auf! rief er sich zur Ordnung. Das alles waren nur Äußerlichkeiten. Es sagte nichts, rein gar nichts über ihre inneren Werte aus. Woher sollte er wissen, dass sie anders war als Juana?
Juana …
Sie hatte ihm so überzeugend die großen Gefühle vorgespielt, dass er nie auch nur auf den Gedanken gekommen war, an ihrer Aufrichtigkeit zu zweifeln.
Jedenfalls damals nicht …
Wie immer, wenn er daran zurückdachte, kochte Zorn in ihm hoch. Wie konnte er angesichts der Erfahrung mit Juana sicher sein, dass er Bethany Coldwell trauen durfte? Einer Frau, von der er so gut wie gar nichts wusste?
Und dennoch – allen Argumenten, die dafür sprachen, zum Trotz wusste er, dass er nicht absagen
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