Romana Extra Band 1
Strand liegen lassen, dort, wo ich losgeschwommen bin, und offen gestanden würde ich es vorziehen, dieselbe Strecke heute nicht noch einmal schwimmen zu müssen. Könnten Sie mich vielleicht zurückbringen?“
„Selbstverständlich, nichts leichter als das.“ Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Offenbar war er dankbar für die Gelegenheit, sie schnell loszuwerden. Er deutete auf ein kleines, leuchtend rotes Motorboot, das am Ende des Stegs vertäut lag. „Steigen Sie ein – ich fahre Sie hin.“
Das Boot, kaum größer als eine Nussschale, schwankte heftig, als Beth hineinkletterte. Sie war froh, dass Luís dabei helfend ihre Hand hielt. Das Kribbeln allerdings, das die harmlose Berührung durch sie hindurchsandte, gefiel ihr ganz und gar nicht.
Sobald sie sich gesetzt hatte, startete Luís schweigend den Außenbordmotor und lenkte das Boot hinaus auf die Bucht. Beth schloss die Augen. Wie herrlich, den warmen Wind im Gesicht zu spüren! Doch wirklich entspannen konnte sie sich nicht. Die ganze Zeit über glaubte sie den bohrenden Blick ihres Retters im Rücken zu spüren. Sie versuchte sich zu erinnern, ob er schon früher eine so beunruhigende Wirkung auf sie gehabt hatte. Als sie einander das letzte Mal begegnet waren, waren sie Kinder gewesen. Doch wie die meisten Erinnerungen an die Zeit in Estellencs, erschien auch die an Luís Santiago ihr wie ein ferner Traum.
Schneller als erwartet erreichten sie den Strand. Luís fuhr bis nahe ans Ufer. Er stellte den Motor aus, sprang ins seichte Wasser und zog das Boot das letzte Stück an Land.
Mit angehaltenem Atem beobachtete Beth das Spiel seiner unglaublichen Arm- und Schultermuskulatur. Und auch als er sich zu ihr umdrehte, um ihr beim Aussteigen zu helfen, konnte sie den Blick nicht von ihm wenden. Er war ohne Übertreibung der attraktivste Mann, den sie je getroffen hatte – und zugleich auch mit Abstand der Unnahbarste.
Sie zwang sich, ihre Gedanken wieder auf ihr eigentliches Ziel zu fokussieren. Aber was sollte sie tun? Wenn sie so vorging, wie sie es normalerweise tat, und ihr Anliegen direkt zur Sprache brachte, würde sie das mit Sicherheit keinen Schritt weiterbringen. Zumal in diesem Fall keine normale Situation vorlag. Luís Santiago wollte nicht verkaufen.
„Wenn ich sonst nichts für Sie tun kann …“ Seine Worten machten ihr klar, dass sie sich beeilen musste.
Verdammt, Beth, lass dir was einfallen! Wenn du nicht ganz schnell reagierst, ist er verschwunden, und du siehst ihn wahrscheinlich nie wieder!
Sie räusperte sich. „Ich … also“, stammelte sie hilflos und spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, als er sie fragend musterte. „Offen gestanden, es gibt da noch etwas, das Sie tun könnten.“
Er blinzelte. „Und das wäre?“
„Ich …“ Sie holte tief Luft. „Sie könnten zulassen, dass ich Sie zum Dank für meine Rettung zum Abendessen einlade – bitte!“
Furchen erschienen auf seiner Stirn. „Ich sagte Ihnen doch bereits, dass ich …“
„Ich weiß, ich weiß!“, fiel Beth ihm ins Wort. „Sie haben nur Ihre menschliche Pflicht erfüllt, schon klar. Aber für mich liegen die Dinge ein wenig anders. Und ich würde mich wirklich besser fühlen, wenn ich mich auf irgendeine Art für Ihre Hilfe bedanken könnte.“
„Also gut“, erwiderte er nach kurzem Nachdenken.
„Dann nehmen Sie meine Einladung also an?“ Sie war erstaunt, dass er so rasch nachgab. Dann sah sie, wie ein kleines Lächeln seine Mundwinkel umspielte – es nahm seinem Gesicht die Strenge und ließ es weicher, offener wirken. Ihr Herz machte einen freudigen Satz.
„Es gehört zu meinen Prinzipien, niemandem etwas schuldig zu bleiben“, entgegnete er. „Daher erkläre ich mich nur unter einer Bedingung mit Ihrem Vorschlag einverstanden: Die Rechnung für das Dinner geht auf mich.“
„Na, das wäre ja dann eine tolle Einladung!“ Lachend schüttelte Beth den Kopf. „Aber ich nehme an, es hat keinen Sinn zu protestieren?“
„In der Tat nicht. Also, wie sieht’s aus? Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“
„Einverstanden.“ Sie überlegte kurz. „Sagen wir, morgen Abend um sechs? Ich warte vor der alten Kirche auf Sie.“
Er nickte, dann wandte er sich um, schob ohne ein weiteres Wort sein Boot ins Wasser und stieg hinein. Einen Augenblick später hatte er den Motor angelassen.
Weiß spritzte die Gischt auf, als er davonjagte.
Und während Beth ihm gedankenverloren nachschaute, warf er nicht einmal einen
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