Romana Extra Band 1
Tatsächlich! Zwanzig Meter weit draußen entdeckte er einen flammend roten Haarschopf. Genau an der Stelle mit der gefährlichen Unterströmung, die einen aufs offene Meer hinauszog. Luís kannte sie gut. Vor ein paar Jahren war der Sohn eines seiner Arbeiter dort beinahe ertrunken. Luís’ Gedanken überschlugen sich. Er musste etwas unternehmen – und zwar schnell!
Im Laufen trat er sich die Schuhe von den Füßen, zog sich das T-Shirt über den Kopf, dann tauchte er mit einem perfekten Kopfsprung vom Steg aus ins Wasser.
„Hilfe! Hil…“
Eine Welle schwappte über ihren Kopf hinweg. Beth würgte, als Salzwasser ihr in Mund und Kehle drang. Doch schlimmer – und weitaus bedrohlicher – war der Schmerz, der in ihrem Bein wütete.
Der Krampf war ganz plötzlich gekommen. Als erfahrene Schwimmerin hatte sie zunächst versucht, sich mit Paddelbewegungen über Wasser zu halten. Doch jetzt merkte sie, dass sie immer weiter aufs offene Meer abgetrieben wurde. Und ihre Kräfte schwanden zusehends.
Zu spät sagte sie sich, dass es wohl eine mehr als dumme Idee gewesen war, nach dem Gespräch mit Onkel Timothy gleich zum Strand hinunterzuklettern und eine so weite Strecke zu schwimmen. In Wahrheit ging es natürlich nicht um körperliche Ertüchtigung oder darum, den Kopf freizubekommen. Nein, sie wollte mehr über Luís Santiago herausfinden und hatte vorgehabt, auf diesem Weg zu seinem Grundstück zu gelangen und zu versuchen, mit einem seiner Angestellten ins Gespräch zu kommen.
Und nun kämpfte sie ums nackte Überleben!
Verzweifelt versuchte sie sich über Wasser zu halten. Ihre Lungen brannten, und ihre Hilferufe waren längst kaum mehr als ein heiseres Krächzen.
Der Krampf in ihrem Bein ebbte langsam ab, doch das half ihr jetzt auch nicht mehr. Ihre Glieder waren schwer wie Blei, sie schaffte es gerade noch, den Kopf in den Nacken zu legen – aber jedes Mal, wenn eine Welle über sie hinwegschwappte, schluckte sie wieder Wasser.
„Hilfe!“, schluchzte sie – oder dachte sie es nur? Ihr flimmerte es vor den Augen, und sie spürte, wie sie versank. Gnädige Dunkelheit umfing sie.
Da schloss sich plötzlich eine Hand um ihren Unterarm und zog sie zurück nach oben ins Licht. Sie spürte noch, wie sich ein Arm unter ihre Achselhöhle schob und ihr Kopf über Wasser gehoben wurde.
Dann war es endgültig schwarz um sie her.
„ Señorita , können Sie mich hören?“
Benommen schlug Beth die Augen auf. Zumindest versuchte sie es, aber es wollte ihr nicht recht gelingen; ihre Lider fühlten sich bleischwer an.
„Hola, Señorita?“
Wieder diese Stimme. Eindeutig männlich. Sie war ihr fremd, klang aber irgendwie aufregend. So aufregend, dass Beth einen zweiten Anlauf nahm, die Augen zu öffnen. Und das, obwohl die Versuchung, sich fallen zu lassen und der angenehmen Schwerelosigkeit hinzugeben, sehr groß war. Ja, am liebsten hätte sie einfach weitergeschlafen … Schlafen? Beth stutzte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie konnte sich nicht erinnern, zu Bett gegangen zu sein. Nein, das Letzte, woran sie sich entsann, war, dass sie zum Schwimmen aufgebrochen war. Allerdings nicht der Entspannung oder des Vergnügens wegen, sondern um auf das Anwesen von Luís Santiago zu gelangen. Und dann war da plötzlich dieser entsetzliche Krampf in ihrer Wade gewesen, und … Meine Güte, sie hatte schon geglaubt, ertrinken zu müssen! Aber offenbar hatte sie noch einmal Glück gehabt …
Sie riss die Augen auf – und blickte in das äußerst attraktive Gesicht eines Mannes.
Zunächst sah sie alles ein wenig verschwommen. Sie blinzelte ein paar Mal, dann konnte sie mehr erkennen. Und was sich ihrem Blick bot, bestätigte ihren ersten Eindruck nicht nur, nein, es übertraf ihn sogar noch: Welliges dunkelbraunes Haar umrahmte ein kantiges Gesicht mit ausgeprägt männlichen Zügen. Der Fremde hatte dunkle, fast schwarze Augen, die bis auf den Grund ihrer Seele zu blicken schienen.
Er musterte sie – besorgt, wie ihr schien –, und aus irgendeinem Grund ließ dieser Umstand ihr Herz schneller schlagen.
Sie schluckte. „Ich … wo bin ich?“ Sie versuchte sich aufzusetzen, bewegte sich aber anscheinend zu hastig, denn ein stechender Schmerz schoss ihr durch den Schädel.
„Ganz ruhig, bleiben Sie erst einmal liegen.“ Der Mann drückte sie sanft zurück. Seine Berührung fühlte sich angenehm und tröstlich an. „Sie wären fast ertrunken“, informierte er sie. „Ich konnte Sie gerade
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