Romana Extra Band 1
trieben, statt zu lernen. Abgesehen von meinem einzigartigen Fußballerlebnis gehörte Sport nicht zu meinem Programm. Aber jetzt habe ich für meinen Geschmack genug Fragen beantwortet, du bist an der Reihe. Welche verborgenen Vorlieben lassen sich denn bei dir finden?“
„Außer gutem Essen und gutem Wein? Ich habe tatsächlich ein heimliches Vergnügen. Ich schreibe Kindergeschichten.“
Mark atmete hörbar ein. „Kindergeschichten? Zum Beispiel Vampir-Lovestorys für Teenager?“
Lexi lachte. „Nein. Meine Geschichten eignen sich für jüngere Leser. Sie handeln von Feen und sprechenden Tieren.“ Sie blieb stehen, holte ein Notizbuch aus der Umhängetasche und schlug eine Seite auf. „Daran habe ich heute Nacht gearbeitet, als ich nicht schlafen konnte.“ Sie hielt sie Mark hin, der sich zu ihr umgedreht hatte, und beobachtete erfreut, dass er überrascht dreinblickte und dann lächelte.
„Das sind Snowy eins und Snowy zwei.“ Lachend nahm er das Büchlein und blätterte weiter. „Die Zeichnungen sind großartig. Du illustrierst Deine Geschichten also auch.“
Mark gab ihr das Buch zurück, wobei sich ihre Hände flüchtig berührten. Lexi hörte ihn scharf einatmen. Offenbar hatte nicht bloß sie das Gefühl gehabt, einen elektrischen Schlag zu bekommen.
„Ich bin beeindruckt. Sollen die Geschichten veröffentlicht werden, oder willst du sie für deine eigenen Kinder aufbewahren?“
Lexi zuckte innerlich zusammen. Er hatte, ohne es zu ahnen, ihren wunden Punkt getroffen. Wenn er nur wüsste, wie sehr sie sich eigene Kinder wünschte. Tränen traten ihr in die Augen. Verflixt, sie sollte anders mit der Frage umgehen können. Was sie auch konnte. Er hatte sie einfach total überrascht. Das war alles.
„Sie sollen veröffentlicht werden. Irgendwann.“
„Ich freue mich schon jetzt darauf, die Geschichten meinen Neffen vorzulesen“, erwiderte Mark heiter.
Lexi ließ sich von seiner Fröhlichkeit gerne anstecken. „Aha. Heißt das, ich sollte ‚Gutenachtgeschichtenvorleser‘ in die lange Liste deiner Fähigkeiten aufnehmen?“
Mark lächelte. „Ich versuche mich daran. Leider komme ich nicht oft dazu. Wenn ich es schaffe …“, er schwieg einen Moment und zuckte dann die Schultern, „… ist es oft die schönste Zeit des Tages für mich. Wir haben viel Spaß miteinander.“
Unvermittelt drehte er sich um und ging weiter. Aber das tiefe Sehnen, das sie in seiner Stimme gehört hatte, und die große Traurigkeit darin ließen Lexi reglos stehen bleiben.
Zwei Dinge waren offenkundig. Mark liebte diese Jungen. Und er würde eines Tages ein wunderbarer Vater für seine Kinder sein, die er sich zweifellos wünschte. Das Herz wurde ihr entsetzlich schwer bei dem Gedanken, dass sie eine solche Freude wahrscheinlich nie erleben würde.
Als sie gerade ihre Verzweiflung bekämpfte, bemerkte sie, dass Mark sich zu ihr umsah. Schnell schob sie das Notizbuch in die Tasche und gab vor, noch etwas darin zu suchen, während sie beiläufig meinte: „Außer ein paar Pfefferminzbonbons habe ich nichts Essbares dabei.“ Sie ließ den Blick schweifen und zog die Brauen hoch. „Ich finde es hier zwar wunderschön und freue mich darüber, in der freien Natur zu sein. Aber irgendetwas sagt mir, dass am Ende dieses Wegs keine Taverne sein wird. Habe ich recht?“
„Vielleicht.“
„Wie bitte?“ Sie setzte sich wieder in Bewegung.
„Es ist eine lange Geschichte.“ Gemächlich ging er weiter. „Du hast vorhin erklärt, dass die Bücher, die jemand in seinem Zuhause hat, und die Räume, die er bewohnt, viel über ihn verraten. Das hat mich auf eine Idee gebracht. Eventuell ist es leichter für dich, meine Mutter als Privatperson zu verstehen, wenn ich dir ihren Lieblingsplatz zeige. Es ist ein ganz besonderer Ort.“
Lexi war überrascht, dass nicht die herrliche Villa der Lieblingsplatz seiner Mutter gewesen war. „Und was macht ihn so besonders?“
„Sieh selbst“, antwortete Mark mit gedämpfter Stimme, die sie so noch nie bei ihm gehört hatte.
Sie folgte ihm an mehreren Kiefern vorbei und blieb dicht hinter ihm, als er sich zwischen blühenden Sträuchern hindurchschob.
Was sie dann sah, war so umwerfend, dass sie sich unwillkürlich an Mark festhielt. Im nächsten Moment legte er ihr einen Arm um die Taille und zog sie an seine Seite.
Sie befanden sich etwa anderthalb Meter vom Rand einer steil abfallenden Klippe entfernt. Einzig eine hüfthohe Mauer, die in einem weiten Bogen vor einer
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