Romana Extra Band 1
und sich zu verstecken, damit die Dienstboten die scheinbar endlosen Räume durchsuchen mussten.
Hal nahm nie etwas an sich, nicht einmal einen polierten Apfel aus einer Obstschale. Er wollte nur einfach die jahrhundertealten Räume betreten und genoss es, durch die unbenutzten Säle zu streifen, die Holztäfelungen zu berühren und die Gemälde zu betrachten.
Als er die Besitzurkunde lässig seinem Anwalt zugeworfen hatte, konnte ihm nicht einmal Robert Cranbrooks Wutausbruch den Augenblick des Triumphes vermiesen. Jetzt war er der Eigentümer von Cranbrook Hall , und der einzige Ort, der gepflegt war, war ironischerweise das Haus, in dem er früher gelebt hatte.
Nur Claire Thackerays Reaktion auf seinen unüberlegten Kuss und die Erinnerung, wie sich ihr schlanker Fuß in seiner Hand angefühlt hatte, ließ ihn nicht mehr los.
5. KAPITEL
Claire starrte auf den Bildschirm.
Hal North war im Alter von achtzehn Jahren von Sir Robert des Anwesens verwiesen worden, mit nichts als seinem Motorrad. Nun war er Vorsitzender einer internationalen Firma und Millionär. Ausgerechnet ihm hatte sie ihre letzte Zehn-Pfund-Note angeboten!
Da sie krankgemeldet war, sollte sie die Zeit besser nutzen, um mit ihrem Blog weiterzukommen.
Gerade fotografierte sie eine besonders große Nacktschnecke für einen Text über Schädlingskontrolle, da klingelte ihr Handy. Sofort zog sie es aus der Tasche und sah nach, wer der Anrufer war.
„Hallo, Brian.“
„Wie geht es dir jetzt, Claire?“, erkundigte er sich voller Anteilnahme.
Da sie darauf bestanden hatte, zur Arbeit zu kommen, konnte sie jetzt schlecht sagen, dass es ihr miserabel gehe, doch er wartete ihre Antwort sowieso nicht ab.
„Wäre es wohl möglich, dass du ein bisschen über den neuen Eigentümer von Cranbrook Park recherchierst?“
„Was willst du denn wissen?“
„Zum Beispiel, woher er kommt, ob er eine Familie hat und so weiter. Ich sende dir alles, was wir haben. Oder ist dir das zu viel?“
„Nein, nein, natürlich nicht. Ich habe schon die Zeit genutzt, um an meinem Garten-Blog zu arbeiten.“
„Braves Mädchen.“
„Herablassender Depp“, murmelte sie vor sich hin, nachdem er aufgelegt hatte. Sie setzte sich wieder an den Rechner. Falls sie noch Zweifel gehabt hatte, jetzt hatte sie schwarz auf weiß die am Montag zu veröffentlichende Presseverlautbarung vor Augen, dass Henry North Cranbrook Park gekauft hatte.
Bald würde allgemein bekannt sein, dass er aus der Gegend war, denn es gab sicher noch Leute, die sich an ihn erinnerten. Sie öffnete ein neues Dokument und machte sich Notizen über seine Eltern, die Schulzeit …
Sie schickte eine E-Mail an die kürzlich pensionierte Leiterin der Maybridge Highschool und sprach mit der Schulsekretärin, die ihr die Namen von Lehrern gab, die Hal noch kennen mussten. Dann versuchte sie herauszufinden, was er getan hatte, nachdem er Cranbrook verlassen hatte.
Hal schien keiner von den Firmenbossen zu sein, die die Öffentlichkeit suchten. Er traf sich nicht mit Supermodels, ging nicht in Talkshows, zeigte sich nicht auf Promi-Partys, denn sonst wäre er ihr zweifellos aufgefallen. Und wenn er glücklich verheiratet war und Kinder hatte, dann hatte er auch das für sich behalten. Er war wohl auch kein Mann, der eine Beziehung nach der anderen hatte.
„Oh, hör auf zu träumen“, murmelte sie vor sich hin.
Sie wusste nichts über ihn. Nur, dass er ihren Puls zum Rasen brachte. Das war jetzt genauso lächerlich wie damals, als sie ihre pubertären Fantasien hatte und ohnmächtig geworden wäre, wenn er ihr nur zugeblinzelt hätte.
Okay. Den Jungen und den Teenager kannte sie jetzt. Bis es Zeit war, Ally von der Schule abzuholen, hatte sie Fotos, Anekdoten von Lehrern und genügend Informationen gesammelt, um Brian eine E-Mail zu schreiben und anzufragen, ob sie nach London fahren und sich auf die Suche nach Hals jüngerer Vergangenheit machen dürfe. Brians Okay bestätigte, dass er auch schon daran gedacht hatte.
Wenig später hatte sie gerade die Hintertür geöffnet, als sie ein Knirschen auf dem Kiesweg hörte. Es schien Gary mit ihrem Fahrrad zu sein.
Nein, er war nicht Gary.
„Wolltest du gerade gehen?“, fragte Hal, als er vor ihr stand.
„Ich will Ally von der Schule abholen.“ Sie schlug die Tür hinter sich zu und ging zum Tor, ohne ihn weiter zu beachten. Doch er ging neben ihr her.
„Wie geht es deinem Fuß?“
„Was? Oh, er ist so gut wie neu“, erwiderte sie, obwohl
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