Romana Extra Band 2
hinter dem Horizont verschwunden war und die Sterne am Himmel funkelten. Irgendwann fand er sich dann vor dem Tor zu seiner Segelschule wieder, ohne bewusst den Weg dorthin eingeschlagen zu haben.
War es ein Wink des Schicksals? Eine innere Eingebung? Was auch immer der Grund sein mochte, Alejandro beschloss, dass er einfach noch einmal versuchen musste, seiner Angst ins Gesicht zu blicken.
Der Zeitpunkt war günstig gewählt. Zu so später Stunde war niemand mehr auf dem Gelände. Selbst Jaime – der seine Motive von allen Menschen vermutlich am ehesten erahnte – hatte längst Feierabend gemacht, denn es brannte nirgendwo Licht. Alejandro war also allein. Niemand würde ihn bei dem kläglichen Versuch, sich selbst zu überwinden, beobachten.
Er presste die Lippen zusammen und stieg aus dem Auto.
Der Kies knirschte unter den Sohlen seiner Schuhe. In der Stille der Nacht klang es beinahe ohrenbetäubend laut. Alejandro schloss das Tor auf und trat hindurch, ohne es hinter sich zuzuziehen. Mit jedem Schritt, den er vorwärtsging, nahm seine innere Anspannung zu, sodass er nach kurzer Zeit das Gefühl hatte, kaum mehr atmen zu können.
Was tust du hier? fragte er sich, als er am Bürogebäude vorbeikam. Warum quälst du dich so?
Weil ich muss, lautete die Antwort. Weil ich nicht länger so tun kann, als sei alles in Ordnung. Denn in Wirklichkeit ist gar nichts in Ordnung!
Er erreichte den Steg und blieb stehen. Sein Herz hämmerte wie verrückt, und ein Teil von ihm wollte einfach umkehren und aufgeben. Doch ein anderer Teil von ihm ließ das nicht zu.
Dies war seine Chance, die Dinge wieder ins Reine zu bringen. Wenn er es endlich schaffte, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, konnte er beweisen, dass Ramón Díaz falschlag. Er konnte seine Firma retten und damit auch die Arbeitsplätze all seiner Mitarbeiter.
Und außerdem dem Krankenhaus helfen.
Es lag auf der Hand, dass die Teilnahme eines ehemaligen Starsportlers der Benefizregatta zu ganz neuer Aufmerksamkeit verhelfen würde. Und mehr Aufmerksamkeit bedeutete auch mehr Sponsoren und höhere Spendeneinnahmen. Deshalb war es egal, ob Pixie unbedingt wollte, dass er teilnahm, oder nicht. Es ging um die Kinder, nicht um Pixie.
Alejandro dachte an den kleinen Sebastián und sein schweres Schicksal, das der Junge ohne die Unterstützung seines Vaters bewältigen musste.
Durch meine Schuld …
Hätte er Estefan damals nicht gedrängt, an dem Wettbewerb teilzunehmen …
Abgesehen von Jaime kannte kaum ein Mensch die Verbindung zwischen Alejandro und dem Jungen. Seine Mutter selbstverständlich – Estefans Witwe. Doch von diesen beiden einmal abgesehen, niemand.
Er hatte an Estefans Grab geschworen, sich um Sebastián und seine Mutter zu kümmern, ganz gleich, was auch geschehen mochte. Das war er allen Beteiligten schuldig. Denn nur seinetwegen war Estefan am Tag des Unfalls überhaupt an Bord der Jacht gewesen statt am Krankenbett seines Sohnes.
„Für Sebastián“, sagte Alejandro zu sich selbst und trat hinaus auf den Steg. Das Herz trommelte wie wild in seiner Brust, die ihm plötzlich viel zu eng erschien. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, seine Finger zitterten, und er atmete flach und schnell.
Alejandro zwang sich, tief Luft zu holen und langsam auszuatmen. Dann befahl er seinen Füßen, einen Schritt zu machen. Und noch einen. Immer einen Schritt nach dem anderen, bis er schließlich vor der Ocean Cruiser stand.
„Sie können mich hier rauslassen“, wies Stephanie den Fahrer an, als das Taxi den Wendekreis am Ende der Zufahrt zu Alejandros Segelschule erreichte.
Der Mann runzelte die Stirn. „Sind Sie sicher?“, fragte er skeptisch. „Ist ziemlich einsam hier draußen.“
Nein, sicher war Stephanie nicht. Sie wusste nicht einmal genau, was sie dazu bewogen hatte, sich hier hinausfahren zu lassen. Fest stand, dass sie nach ihrer Rückkehr aus dem Kinderkrankenhaus in ihrem Apartment auf und ab gelaufen war, unfähig, zur Ruhe zu kommen.
Sie hatte zuerst mit Joyce, ihrer Vertretung in der Londoner Agentur, telefoniert und es auch bei ihrer besten Freundin Melanie versucht, diese jedoch nicht erreicht. Sie bezweifelte allerdings auch, dass sie sich auf ein Gespräch mit ihr hätte konzentrieren können. Kurz war sie sogar versucht gewesen, ihre Mutter anzurufen, hatte den Gedanken aber rasch verworfen. Wenn sie eines nicht gebrauchen konnte, waren es Pamela Hayworths ständige Ermahnungen, doch endlich Vernunft
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