Romana Extra Band 3
„Ich wollte euch bitten, für die Kosten dieser Behandlung aufzukommen. Genauer gesagt, mir das Geld zu leihen. Ich werde euch jeden einzelnen Cent zurückzahlen, das verspreche ich. Aber …“
„Du willst, dass wir der Frau, die uns solches Leid zugefügt hat, helfen?“ Fassungslos starrte ihr Vater sie an, und auch ihre Mutter und ihre Brüder wirkten schockiert. „Niemals!“ Miguel brüllte fast. „Niemals, hörst du? Keinen Finger werde ich für sie rühren!“
Laura war es, als habe man ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Sie befand sich im freien Fall. Ihr Vater würde Alina nicht helfen.
Und was nun?
Blieb ihr überhaupt irgendeine Möglichkeit?
Keine, beantwortete sie sich ihre Frage selbst. Sie stand mit dem Rücken zur Wand, und es gab nichts mehr, was sie noch tun konnte.
Mit einem erstickten Aufschluchzen wirbelte sie herum und stürmte durch die offen stehende Terrassentür ins Freie.
„Laura, warte!“
Javier versuchte, seine Schwester zurückzuhalten, doch er war nicht schnell genug. Als er ihr nachrennen wollte, stellte Fernando sich ihm in den Weg.
„Was willst du?“, knurrte Javier. „Hast du nicht schon genug Schaden angerichtet?“
Fernando wusste selbst am besten, dass er einen Fehler gemacht hatte. Es war falsch gewesen, Laura so lange von ihrer Familie fernzuhalten. Doch er hatte es in der Absicht getan, die Santiagos vor einer erneuten Enttäuschung zu bewahren.
Dabei hätte er sich lieber Sorgen um Laura machen sollen.
„Wenn sich hier jemand gerade wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt, dann ist es dein Vater“, entgegnete er fest.
„Was sagst du da?“, donnerte Miguel und funkelte Fernando drohend an. „Du weißt ja nicht, wovon du redest!“
„Aber er hat recht“, mischte Maria sich ein. Sie erntete ebenso erstaunte wie missbilligende Blicke von den Santiagos, ließ sich davon aber nicht beeindrucken. „Hast du auch nur ein einziges Mal versucht, dich in ihre Lage zu versetzen?“, fuhr sie an Miguel gewandt fort. „Laura kennt diese Menschen seit ihrem sechsten Lebensjahr. Ist es da nicht nachvollziehbar, dass sie eine emotionale Bindung zu ihnen aufgebaut hat? Du kannst nicht von ihr erwarten, dass sie ihre Gefühle einfach abstellt, Miguel!“
Maria war eine unerbittliche Gegnerin. Insgeheim atmete Fernando erleichtert auf, dass er sie auf seiner Seite hatte.
„Schreibt mir nicht vor, was ich zu tun und zu empfinden habe!“ So schnell gab auch ihr Schwager nicht klein bei. „Ihr habt nicht fünfundzwanzig Jahre lang verzweifelt auf ein Lebenszeichen eurer verschollenen Tochter gewartet!“ Zornig verschränkte Miguel die Arme vor der Brust. „Ihr wisst nicht, wie es ist, sich ständig zu fragen, ob man das geliebte Kind je wiedersehen wird oder ob man es für immer verloren hat!“
„Doch nun ist Laura wieder da.“ Nach außen hin blieb Fernando ruhig, doch in seinem Inneren herrschte Aufruhr. „Anstatt dir Gedanken zu machen, wie du dich rächen kannst, solltest du lieber zusehen, dass du deine Tochter nicht gleich wieder verlierst.“
Mit diesen Worten wandte er sich ab, um Laura nachzugehen.
Schluchzend stand Laura am Rand der Klippen. Tief unter ihr warf sich das Meer schäumend gegen die Felsen. Im Laufe der Zeit hatte das Salzwasser bizarre Formen aus dem Stein gewaschen, die Laura wie ein skurriles Bildnis ihrer momentanen Situation vorkamen. Wie der Fels stemmte auch sie sich gegen alle Widrigkeiten des Lebens, doch am Ende würde sie nur verlieren.
Tränen strömten ihr über die Wangen, und eine abgrundtiefe Verzweiflung bemächtigte sich ihrer. Was sollte mit Alina werden, wenn Miguel es kategorisch ablehnte, ihr zu helfen?
Seine Weigerung überschattete das Wiedersehen mit ihrer Familie wie eine düstere Wolke. Verstand er denn nicht, dass sie niemals mit ruhigem Gewissen in den Schoß ihrer richtigen Familie zurückkehren konnte, wenn nicht sichergestellt war, dass es Alina gut ging?
Und falls Miguel sie tatsächlich vor Gericht zerrte – auf welche Seite sollte Laura sich dann stellen? Die Ortegas hatten sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht. Objektiv betrachtet, bestand daran kein Zweifel. Doch wie sollte sie objektiv sein, wo sie doch in der Obhut von Diego und Alina aufgewachsen war?
Und als hätte sie nicht schon genug Probleme, musste sie auch noch ständig an Fernando denken.
Dieser Schuft!
Er hatte sie die ganze Zeit belogen, und dennoch konnte sie nichts davon abbringen, ihn zu lieben.
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