Romana Extra Band 3
mit brüchiger Stimme hervor. „Mein Gott …“
Im nächsten Moment lagen sie einander in den Armen, und Laura war, als habe man ihr eine tonnenschwere Last von den Schultern genommen.
„Komm.“ Ihre Tante schob sie ein kleines Stück von sich fort. „Ich bringe dich zu deiner Familie.“
„Ich fahre euch“, meldete Fernando sich zu Wort.
Maria wandte sich zu ihm um und musterte ihn schweigend. „Die Santiagos sind nicht sonderlich gut auf dich zu sprechen“, warnte sie schließlich, doch er winkte ab.
„Ich werde Laura keinesfalls allein lassen in dieser schwierigen Situation“, entgegnete er ernst.
Laura maß ihn mit einem kühlen Blick. Glaubte er wirklich, dass sie ihm seine Besorgnis um sie abkaufte? Nach allem, was vorgefallen war?
Sie wusste, sie hätte froh und glücklich sein sollen, dass das Wiedersehen mit ihrer Familie nun endlich bevorstand. Doch stattdessen fühlte sie sich so leer und ausgebrannt wie nie zuvor in ihrem Leben.
Allen Vorbehalten zum Trotz hatte sie Fernando ihr Herz geöffnet. Nun präsentierte ihr das Schicksal die Rechnung für ihre bodenlose Dummheit.
Es tat weh. Ganz furchtbar weh.
Maria gab ihrer Schwester von unterwegs aus eine knappe telefonische Zusammenfassung der Ereignisse und ließ dabei auch Fernandos Rolle nicht aus. Als der Wagen kurz darauf vor der prächtigen Villa der Santiagos anhielt, blickte Laura neugierig aus dem Seitenfenster, auf der Suche nach etwas, an das sie sich womöglich erinnerte. Doch das imposante Gebäude mit der marmornen Außentreppe und dem eindrucksvollen, auf zwei mächtigen Säulen ruhenden Portikus war ihr vollkommen fremd.
„Dein Vater hat das Anwesen erst vor ein paar Jahren gekauft und das Haus aufwendig umbauen lassen“, erklärte Maria, die ihre Gedanken erraten haben musste. „Das Haus, in dem du aufgewachsen bist, liegt ein paar Kilometer von hier entfernt.“
Laura nickte wortlos. Sie wusste, dass sie keinen Ton herausbringen würde, denn ihre Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt.
Seltsamerweise war es ausgerechnet Fernandos Anwesenheit, die ihr ein wenig Sicherheit gab. Dabei hatte er doch nachdrücklich bewiesen, dass auf ihn kein Verlass war.
Was ihren Gefühlen für ihn leider keinerlei Abbruch tat …
Sie schob den verstörenden Gedanken beiseite und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was vor ihr lag. Endlich würde sie ihre Eltern und ihre Brüder wiedersehen. Flüchtig fragte sie sich, welches Gefühl in ihr überwog – Bangigkeit vor dem Augenblick oder Vorfreude?
Was, wenn sie alle erkennen würden, dass sie sich zu sehr voneinander entfernt hatten? Fünfundzwanzig Jahre waren eine lange Zeit. Und Menschen veränderten sich.
Was sollte sie tun, wenn die Santiagos ihr fremd blieben?
Und was sollte dann aus Alina werden?
All das schoss ihr durch den Kopf, als Fernando ihr die Wagentür öffnete. Er reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Ganz automatisch ließ sie es zu, und die Berührung vertrieb ein wenig von der inneren Kälte, die sich in ihr ausgebreitet hatte.
Fernando mochte ein gemeiner Lügner sein, ein Schuft, wie er im Buche stand, doch im Augenblick war er der einzige Mensch, der ihr in dieser schwierigen Situation ein wenig Halt geben konnte.
„Hab keine Angst“, raunte er ihr zu, so als ahne er, was in ihr vorging. „Sie werden dich ins Herz schließen – und ich bin immer in deiner Nähe, wenn du mich brauchst.“
Und dann ging plötzlich alles ganz schnell.
Die Eingangstür der Villa wurde geöffnet, und ein älterer Mann trat ins Freie. Die Frau an seiner Seite sah Maria sehr ähnlich und hatte sich bei ihm untergehakt. Erst nach einem kurzen Moment wurde Laura klar, dass die beiden ihre Eltern waren. Sie kamen ihr sehr viel kleiner vor, als sie sie in Erinnerung hatte. Doch ihre Erinnerungen waren die eines sechsjährigen Mädchens.
Es war so lange her …
Plötzlich sah sie sich selbst, an der Hand ihres Vaters, stolz zu ihm aufblickend. Ihr Papá war ein so großer, starker Mann, und wenn er sie auf seine Schultern hob, fühlte sie sich wie die Königin der Welt.
Weitere Bilder stürmten auf sie ein. Sie selbst, in ihrem Kinderbett. Neben ihr ihre Mutter, ein Buch auf dem Schoß, das aufgeschlagen war beim Märchen vom Schloss der Rosen – Lauras Lieblingsgeschichte. Jeden Abend las Mamá ihr vor dem Zubettgehen daraus vor. Laura brauchte nur die Augen zu schließen und sich von der sanften Stimme in den Schlaf wiegen zu lassen …
Und
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