Romana Extra Band 3
Bettwäsche in Schwarz und dunklem Violett verlieh dem Raum eine maskuline Note. Dass Alessandro sie selbst ausgewählt hatte, glaubte sie allerdings nicht. Dafür konnte sie ihn sich umso leichter auf diesem Bett vorstellen – und sich selbst in seinen Armen. Gleich darauf rief sie sich zur Ordnung. Bei Tageslicht würde er sie gewiss keines Blicks würdigen.
Und das war gut so. Mit dem ihr anvertrauten Zweijährigen hatte sie alle Hände voll zu tun. Alice hatte behauptet, niemand könne so gut mit ihm umgehen wie sie. Daher hatte sie die beiden freien Tage pro Woche, die ihr zugestanden worden waren, in der Praxis kaum je nehmen können. Sie war dem Neugeborenen zur Mutter geworden, mit allen Pflichten, die das mit sich brachte. Ein „normales“ Leben hatte sie nur in den wenigen Wochen vor seiner Geburt geführt, als sie gemeinsam mit Alice die neu belebte Freundschaft gefeiert und die Annehmlichkeiten der Großstadt genossen hatte.
In den letzten Wochen vor der Niederkunft war Leonardo häufig zu Hause geblieben. Er war seiner schwangeren Frau selten von der Seite gewichen und hatte sie behütet und verwöhnt, während Maisy auf den ausdrücklichen Wunsch von Alice allein ausgegangen war.
Für kurze Zeit hatte sie gelebt wie viele andere Einundzwanzigjährige in London. Sie hatte ausgedehnte Einkaufsbummel unternommen, bis in die frühen Morgenstunden getanzt, geflirtet und sich mit dem Dan angefreundet, der in der Musikbranche arbeitete. Nächtelang hatten sie sich in kleinen Cafés unterhalten, bis sie eines Tages mit in sein Apartment gegangen war und mit ihm geschlafen hatte – ein wenig befriedigendes und äußerst peinliches Ereignis. Kurz darauf hatte sie ihm den Laufpass gegeben.
Dann war Lorenzo zur Welt gekommen, und ihr Leben hatte sich von Grund auf verändert.
Es war unmöglich gewesen, Alessandro in aller Kürze ihre komplizierte Beziehung zu Alice und ihrem Sohn zu erklären. Also hatte sie sich kurzerhand als Kindermädchen bezeichnet. Das hörte sich vernünftig, professionell und nützlich an. Er brauchte eine zuverlässige Betreuerin für Lorenzo, kein Partygirl. Dennoch belastete die Notlüge sie. Sie hätte es vorgezogen, sie selbst sein zu dürfen und nicht etwas darstellen zu müssen, das er sich unter einer Erzieherin vorstellte.
Als der Jet in Neapel landete, graute bereits der Morgen. Der Anblick von zwei auf dem Rollfeld wartenden Limousinen rief Maisy erneut ins Bewusstsein, wie unermesslich reich Alessandro Tremante sein musste.
Bald stellte sich heraus, dass er sie nicht in sein Haus begleiten würde. Nachdem sie mit Lorenzo und Carlo in einen der komfortablen Wagen eingestiegen war, erkundigte sich Maisy nach seinem Verbleib.
„Er fliegt mit dem Helikopter nach Rom, um dort Termine wahrzunehmen“, erklärte Carlo. Ironisch lächelnd fügte er hinzu: „Keine Sorge, bella . Sie werden ihn noch oft genug sehen.“
Die vertrauliche Anrede behagte Maisy ebenso wenig wie der spöttische Unterton. Sie fragte sich, ob Alessandro seinem Assistenten anvertraut hatte, was zwischen ihnen geschehen war.
Die Villa Vista Mare stammte aus dem sechzehnten Jahrhundert, doch im Inneren wirkte Alessandros Zuhause modern, ja nahezu kalt, mit hohen Zimmerdecken, viel Glas und blendend weißen Oberflächen.
Maisy fühlte sich förmlich in einen Science-Fiction-Film versetzt. Es musste ein Vermögen gekostet haben, das Haus auf den neuesten Stand zu bringen, alles zeugte von Reichtum und Glamour. Eine behagliche Atmosphäre verströmte es jedoch nicht.
In den nächsten Tagen bemühte sie sich, etwas von der Gemütlichkeit des Lantern Square auf Lorenzos neues Zuhause zu übertragen. Am Kinderzimmer gab es wenig auszusetzen. Erwartungsgemäß hatte Alessandro zu viel des Guten getan und Unmengen von Spielsachen herbeischaffen lassen. Im Lauf der Woche gelang es ihr, das Schlimmste beiseitezuräumen und ein wohnliches Ambiente zu schaffen.
Lorenzo eroberte im Handumdrehen sämtliche Herzen; die Haushälterin Maria, eine liebenswürdige Frau um die Fünfzig, betete ihn geradezu an.
Ihr eigenes Zimmer grenzte an das Kinderzimmer an. Es war klein und zweckmäßig eingerichtet. Maisy nutzte es nur zum Schlafen – aber das tat sie reichlich. Die von Alessandro organisierte Nachtschwester sorgte dafür, dass sie zum ersten Mal seit zwei Jahren ganze Nächte durchschlafen konnte. Bald fühlte sie sich wie neugeboren.
Rasch spielte sich eine gewisse Routine ein. Die Vormittage verbrachte
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