Romana Extra Band 4 (German Edition)
eins. Du hast es mir vor vielen Jahren geschenkt“, erinnerte sie ihn.
Er blickte sie mit unergründlicher Miene an. „Das hast du noch?“
„Natürlich.“
Sie war sechzehn gewesen, als er es ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Die Figuren hatte er selbst geschnitzt, was sie gleichermaßen beeindruckt und überrascht hatte. Obwohl sie es nur selten benutzte, hütete sie es wie einen Schatz. Sie holte es aus dem Schrank und stellte es auf den Couchtisch.
Gio nahm den weißen Springer in die Hand, den er als Ritter auf einem Pferd gestaltet hatte, und erzählte lächelnd: „Den habe ich mindestens siebenmal gemacht, weil immer wieder die Ohren des Pferds abgebrochen sind.“
„Haben sie deshalb angelegte Ohren?“
„Ja, dein Vater hat es vorgeschlagen, weil das Holz nicht hart genug war.“ Er stellte die Figur wieder auf das Schachbrett.
Anita nahm einen weißen und einen schwarzen Bauern und hielt die Hände hinter den Rücken. „Links oder rechts?“
Natürlich verlor sie das Spiel, was Anita auch nicht anders erwartet hatte. Aber Gio hielt ihr vor, dass sie sich nicht ernsthaft bemüht hätte zu gewinnen.
„Das habe ich doch“, entgegnete sie.
„Den Eindruck erweckst du aber nicht. Wir versuchen es noch einmal.“
Sie bemühte sich, sich auf das Spiel zu konzentrieren, seine Nähe und sein Anblick lenkten sie jedoch immer wieder ab.
„Schachmatt“, sagte er plötzlich, nachdem er einen Zug mit dem Springer gemacht hatte.
„Wie bitte? Wie ist das denn passiert?“ Ungläubig betrachtete sie die Figuren auf dem Schachbrett. Dann hob sie resigniert die Hände und packte das Spiel wieder weg.
„Feigling.“
Anita warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Damit hat es nichts zu tun. Ich habe nur einfach keine Lust, dein Ego zu stärken.“
„Hätte ich dich lieber gewinnen lassen sollen?“
„Nein, auf deine Großzügigkeit bin ich gar nicht angewiesen.“ Sie stand auf und ging in die Küche. Wahrscheinlich war sie doch ein Feigling.
„Soll ich dir das Dessert bringen?“
„Wenn du es mir nicht über den Kopf schüttest.“
Nun musste sie lachen. Nachdem sie die beiden Schälchen mit der Süßspeise auf den Couchtisch gestellt hatte, gab sie noch etwas Sahne obenauf.
Gio ließ sich die Schokoladenmousse auf der Zunge zergehen. Sie war geradezu sündhaft gut, wie er fand.
„Schmeckt es dir?“, fragte Anita.
„Oh ja, sie ist köstlich“, antwortete er lächelnd und blickte ihr in die Augen.
Meine Güte, ich begehre sie wie wahnsinnig, schoss es ihm durch den Kopf. Am liebsten hätte er sie hochgehoben, ins Schlafzimmer getragen und leidenschaftlich geliebt.
Aber das war unmöglich, nicht nur wegen des verstauchten Knöchels und der anderen Verletzungen, sondern weil sie für ihn tabu war. Wenn sie nur guten Sex miteinander haben könnten, wäre es wesentlich leichter. Aber das war mit Anita nicht möglich, dazu war ihre Beziehung viel zu kompliziert.
Außerdem war sie ein Mensch, der fest an ein Happy End glaubte. Als Hochzeitsplanerin half sie, die Träume junger Paare zu verwirklichen, während er ihre offenbar in Albträume verwandelte.
Schweigend aßen sie weiter, bis Gio auf einmal an Kirsten und die Tragödie denken musste, die er unabsichtlich verursacht hatte.
„Ich gehe duschen“, erklärte er unvermittelt. „Hast du eine Plastiktüte oder etwas Ähnliches für meinen Fuß?“
Verblüfft über den plötzlichen Stimmungsumschwung, unterdrückte Anita einen Seufzer und stand auf. Das war typisch für Gio, er war unberechenbar, besonders in der letzten Zeit.
„Klar. Brauchst du auch etwas für deine Hand und den Oberschenkel?“
„Nein, vielen Dank. Die Verbände scheinen wasserdicht zu sein.“
Sie brachte ihm einen Plastikbeutel und ein Klebeband. „Soll ich dir helfen?“
„Ich komme allein zurecht, danke“, antwortete er bestimmt. „Dann bis morgen. Gute Nacht.“
„Gute Nacht.“
Sie blickte ihm nach. Hoffentlich ruft er mich, wenn er Probleme hat, dachte sie. Doch das war lächerlich. Er kam bestimmt ohne sie zurecht.
Nachdem Anita die Küche und das Wohnzimmer aufgeräumt hatte, beschloss sie, sich auf ihr Bett zu setzen und zu lesen, bis Gio fertig war, was eigentlich gar nicht nötig war, denn sie hatte ein eigenes Bad, das an ihr Schlafzimmer angrenzte. Sie wollte nur sofort zur Stelle sein, wenn er sie brauchte.
Das Wasser hatte er längst abgestellt, und sie vermutete, dass er sich abtrocknete, was mit einer Hand sicher gar nicht so
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