Romana Extra Band 4 (German Edition)
Die meisten Lichter im Tal waren erloschen, nur die Scheinwerfer eines Wagens, der langsam über die kurvenreiche Straße fuhr, waren zu sehen.
Als er sie kommen hörte, drehte er sich zu ihr um und streckte die Hand aus. „ Bella , ich dachte, du schläfst schon. Setz dich zu mir.“
Nachdem sie neben ihm Platz genommen hatte, zog sie die Füße hoch und lehnte sich an seine Schulter. „Du bist spät dran.“
„Ja. Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.“ Nach dem Treffen mit Camilla Ponti, das ganz anders verlaufen war, als er vermutet hatte, hatte er lange überlegt, was er nun machen sollte.
„Ich konnte nicht schlafen und ich habe versucht, dich anzurufen.“
„Das habe ich gemerkt. Entschuldige, dass ich nicht geantwortet habe, ich musste nachdenken.“ Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, und ihr Herz krampfte sich zusammen.
„Wie war das Gespräch?“
„Sie wollte sich entschuldigen. Es geht ihr sehr schlecht, Anita. Sie war völlig aufgelöst, hat immer wieder geweint und schien um zwanzig Jahre gealtert zu sein.“
„Ist sie etwa eine gute Schauspielerin?“
„Nein, das war nicht gespielt“, erwiderte er ruhig. „Sie ist wirklich verzweifelt und brauchte das Geld, um das Pflegeheim für ihr Kind zu bezahlen. Kurz vor seiner Geburt wurde der Junge bei einem Autounfall schwer verletzt und ist auf intensive Pflege angewiesen. Um die Kosten aufzubringen, hat sie jahrelang Geld veruntreut. Und deshalb hat sie auch um ihre Firmenanteile gekämpft.“
„Darauf bist du hereingefallen?“, hakte sie ungläubig nach.
Wieder lächelte Gio traurig. „Sie hat mir ein Foto von ihm gezeigt. Er ist jetzt im Teenageralter, kann nicht sprechen und sich kaum bewegen. Es ist ein Trauerspiel. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass es stimmt, denn ich habe es nachgeprüft.“
Anita seufzte. „Oh Gio, tut mir leid. Es muss für sie und ihren Sohn schrecklich sein. Hat sie keinen Mann, der sie unterstützt?“
„Nein, er ist bei dem Unfall ums Leben gekommen, und dann stellte sich auch noch heraus, dass er nicht versichert war. Nur deshalb hat sie Firmengelder veruntreut und versucht, sich ihre Hälfte der Anteile auszahlen zu lassen. Als sie von keiner Seite Hilfe erwarten konnte, hat sie die Nerven verloren.“
„Das kann ich nachvollziehen. Wie kommt sie nun für die Heimkosten auf?“
„Gar nicht, auch die Anwaltskosten kann sie nicht bezahlen. Er verliert langsam die Geduld und setzt sie unter Druck.“
„Wer hat sie denn vertreten?“
„Bruno Andretti.“
„Wusste er über ihre Notlage Bescheid?“
„Keine Ahnung, aber es spielt auch keine Rolle, denn sie hätte sowieso nicht recht bekommen. Jedenfalls werde ich mit ihm reden und mich danach mit Marco zusammensetzen. Offenbar wusste er nichts von ihrem Sohn. Deshalb nehme ich an, dass sie ihren Rechtsanwalt auch nicht ins Vertrauen gezogen hat.“
„Bist du mit Bruno Andretti befreundet?“
„Nein, wir kennen uns jedoch ganz gut. Er ist in Ordnung.“ Er drehte sich zu ihr um, streichelte sanft ihre Wange und sah sie liebevoll an. „Du bist müde, cara . Komm mit ins Bett.“
Kaum hatten sie sich hingelegt, schlief Anita in seinen Armen ein, während er an ihr gemeinsames Kind dachte. Die Vorstellung, dass diesem auch einmal etwas Schlimmes zustoßen könnte, fand er unerträglich, und er überlegte, was in Camilla Ponti vorgehen mochte.
Nein, er konnte und wollte die Frau mit ihren Problemen nicht allein lassen und musste ihr irgendwie zu helfen.
„Ich weiß noch nicht, wann ich zurückkomme, aber es wird sicher nicht so spät wie gestern“, verabschiedete Gio sich am nächsten Morgen von Anita und küsste sie federleicht auf die Lippen, ehe er nach Florenz und direkt zu Brunos Kanzlei fuhr.
Wie sich herausstellte, hatte sein Kollege nichts von Signora Pontis Notlage gewusst. Gio schilderte ihm die Situation und sagte ihm, er würde auf sein Honorar verzichten. Bruno erklärte sich schließlich auch dazu bereit, fügte jedoch lachend hinzu, dass Gio ihm dafür eine Einladung zum Mittagessen schulden würde.
Anschließend fuhr Gio zu Camilla Ponti. „Ihr Rechtsanwalt verzichtet auf die Kostenerstattung“, teilte er ihr die gute Neuigkeit mit. „Außerdem habe ich die überfälligen Kosten für das Pflegeheim Ihres Sohnes und die für das nächste Vierteljahr im Voraus bezahlt.“
Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. „Aber ich habe Sie angegriffen“, wandte sie irritiert ein. „Sie
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