Romana Extra Band 4 (German Edition)
sein Herz wild klopfte.
War er ebenfalls erschrocken, als sie beinahe gestürzt wäre?
„Keine Angst“, flüsterte er, „ich passe schon auf Sie auf. Ich würde niemals zulassen, dass Sie verletzt werden.“
Ein Schauer überlief ihren Körper, aber sie hätte nicht sagen können, ob es die Erleichterung war, dass sie nicht gefallen war, oder die Wirkung seiner Worte. Denn aus irgendeinem Grund wusste sie, dass er die Wahrheit sagte.
„Mir geht es gut“, antwortete sie und dachte, dass er seinen Griff nun auch wieder hätte lockern können. Doch seine Arme verharrten wie eine eiserne Kette um ihren Oberkörper, selbst als sie den Gipfel erreicht hatten und sich einer Ansammlung von Zelten näherten. Sapphy konnte es kaum erwarten, endlich abzusteigen. Der Staub, den sie während ihres Ritts aufgewirbelt hatten, hatte sich als dünner Film auf ihre Haut gelegt, und sie war sich sicher, dass es sich mit dem Geruch des Kamels ähnlich verhielt.
Eine Gruppe von kleinen, dunkelhaarigen Kindern lief kichernd auf sie zu, in langen Gewändern, deren Saum um ihre bloßen Füße flatterte. Eine Ziegenherde blickte kurz auf, um die Neuankömmlinge zu begutachten, verlor aber bald wieder das Interesse.
Dann erschien ein Jugendlicher, der lächelnd auf das Kamel zutrat, auf dem Sapphy und Khaled saßen. Vorsichtig zog er an dem Nasenring des Tieres, um es in die Knie zu zwingen. Sapphy wurde ruckartig nach vorne geworfen, als die Vorderbeine einknickten, doch Khaleds fester Griff verhinderte, dass sie vornüber fiel. Seine Arme blieben so lange um sie geschlungen, bis das Kamel sich vollständig heruntergelassen hatte. Dann half er ihr beim Absteigen, bevor er sich selbst nach unten schwang.
„Majeed“, begrüßte er den Jungen und umarmte ihn.
„Guten Tag, Scheich Khaled“, erwiderte dieser, offensichtlich beflissen, sein Englisch zu trainieren. „Sie haben meinen neuen Lehrer mitgebracht?“
„Natürlich, Majeed. Das hatte ich dir doch versprochen.“
Kurz darauf bemerkte Sapphy, wie der Junge mit einem der Männer verschwand, die mit ihnen gereist waren. Sie wollte Khaled fragen, was das Gespräch zwischen ihm und dem Jungen zu bedeuten hatte – sie hatte angenommen, dass alle ihre Begleiter Sicherheitsleute waren –, doch in diesem Augenblick wurde sie von einer Gruppe von Kindern umzingelt, die sie an den Händen festhielten und unablässig auf sie einredeten.
„Vermutlich möchten Sie sich jetzt etwas frisch machen“, meinte Khaled, der sich zu ihnen gesellte und den Kindern über die Haare strich. „Ich zeige Ihnen Ihr Zelt. Ihr Gepäck müsste dort bereits abgeliefert worden sein.“
Er wandte sich an die Kinder und sagte zu ihnen etwas auf Arabisch, worauf diese sich auf der Stelle zerstreuten, um zu ihren Zelten zu laufen.
„Was haben Sie ihnen gesagt?“
„Dass sie ihren Müttern Bescheid sagen sollen, dass der Arzt da ist.“
„Ein Arzt ist mit uns gekommen?“, wunderte Sapphy sich. „Ich dachte, die Männer gehörten alle zu Ihrer Leibwache.“
„Wir haben einen Leibwächter dabei. Aber der nützt meinem Volk hier oben nichts. Was die Leute hier brauchen, ist praktische Unterstützung, damit sie ihren Lebensstil so lange wie möglich aufrechterhalten können. Sie benötigen medizinische Hilfe und Schutzimpfungen. Der Weg in die Stadt ist viel zu weit für sie.“
„Deshalb haben Sie auch einen Lehrer mitgebracht?“
Er nickte. „Genau. Majeed ist ein außergewöhnlich intelligenter Junge. Er hat seine bisherigen Lehrer bereits übertroffen. Jetzt braucht er neue Herausforderungen und jemanden, der ihm neue Ziele setzt.“
„Könnte er denn nicht in Hebra zur Schule gehen? Es gibt doch so etwas wie Internate in Jebbai, oder?“
„Die gibt es“, bestätigte Khaled. „Aber wie könnte er dann seine Familie unterstützen? Er wird zur Universität gehen, wenn die Zeit reif ist und seine Brüder älter sind. Aber bis dahin braucht sein Vater ihn. Wenn er hier unterrichtet wird, kann er beides tun, zum Lebensunterhalt seiner Familie beitragen und lernen.“
„Ich verstehe“, sagte sie, doch in Wirklichkeit verstand sie überhaupt nichts mehr. Es ging nicht um das, was Khaled gesagt hatte, seine Worte waren vollkommen plausibel gewesen. Es ging um diese ganz neue Seite von Khaled, die sie bisher nicht gekannt hatte. Sie war an den skrupellosen und autoritären Khaled gewöhnt, der von Wut getrieben war und sich nicht um die Gefühle derer scherte, denen er mit seinen
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