Romana Extra Band 5 (German Edition)
Abend.“
Als sie zu ihrem Zimmer ging, dachte sie unaufhörlich an Michel.
Hinter seiner perfekten Fassade besaß er also sowohl ein Herz als auch einen eigenen Willen. Sie war überrascht, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Sie hatte das Gefühl, ihn immer klarer zu erkennen. Mit jedem Mal, dass sie sich begegneten, wuchs ihr Respekt, aber auch ihre Neugier. Als Lehrerin wusste Maggie nur zu gut, was für Konsequenzen Neugier haben konnte. Allerdings wusste sie auch, dass man als Frau sehr viel verlieren konnte, wenn man sich von der Neugierde auf einen Mann verleiten ließ.
Und doch, je mehr sie über Michel erfuhr, desto mehr wollte sie wissen.
3. KAPITEL
Sie lachte ein wenig zu laut. Ihr Kleid war nicht ganz angemessen, zu leger geschnitten. Ihr Haar ließ sich nicht bändigen, genau wie sie selbst.
Doch jeder Mann im Raum sah sie immer wieder an.
Michel machte keine Ausnahme.
Irritiert versuchte er, sich auf die hübsche, sanfte, verwitwete Comtesse zu konzentrieren, die ihn schon den ganzen Abend nicht aus den Augen ließ. Er nickte, während sie unaufhörlich die Auswahl der Weine lobte. Am liebsten hätte er ihr gesagt, dass er nicht dafür verantwortlich war.
Seine Schwägerin Anjolie, die Frau seines Bruders Auguste, blickte zu ihm herüber. Ihre Blicke trafen sich kurz. Sie erbarmte sich seiner und trat zu ihnen. „Wir freuen uns sehr, dass Sie uns heute Abend die Ehre geben, Comtesse Brevard. Es gibt hier im Schloss eine wunderschöne Sammlung von Renoir-Gemälden. Die würde ich Ihnen gern einmal zeigen.“
„Kleine Atempause für dich“, raunte sie ihrem Schwager zu.
Michel nickte kaum merklich und ging rasch auf den Balkon. Blumenduft erfüllte die milde Nachtluft. Das Streichquartett spielte eine harmonische Weise, und die teilweise beleuchteten Fenster der Landhäuser funkelten wie Sterne.
Er atmete tief ein und wieder aus. Bevor er sich jedoch entspannen konnte, wurde sein Moment des Alleinseins von einem gewissen Rotschopf unterbrochen. Maggie stöhnte entnervt und lehnte sich, die Augen geschlossen, an die Wand.
Michel sah sie einige Zeit lang schweigend an, bevor er sie anredete. Ihre Haut schimmerte im Mondlicht, ihre Lippen glänzten, ihre Lider waren gesenkt.
„Gefällt Ihnen die Party nicht?“
Erschrocken riss sie die Augen auf. „Oh! Ich dachte, ich sei allein.“
Er hob eine Braue. „Ich auch.“
„Tut mir leid. Ich kann mir einen anderen Ort suchen.“
Er konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken und schüttelte den Kopf. „Nein. Bleiben Sie. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Gefällt Ihnen die Party nicht?“
Sie erwiderte seinen Blick in der Dunkelheit. „Soll ich taktvoll sein – oder ehrlich?“
„Ehrlich“, erwiderte er, ohne zu zögern. Er konnte es sich selbst nicht erklären, aber er sehnte sich nach ihrer Ehrlichkeit.
„Ich finde sie ein bisschen steif. Irgendetwas fehlt. Motown oder Lenny Kravitz.“
„Ein Ghettoblaster, aus dem eine Coverversion vom ‚American Woman‘ dröhnt“, erwiderte er. Wahrscheinlich würden seine Vorfahren sich jetzt in ihren Gräbern umdrehen.
Maggie sah ihn überrascht an. „Sie kennen Lenny Kravitz?“
Empört erwiderte er ihren Blick. Aber sie hatte ihn ja auch älter geschätzt, als er war. Es sollte ihm völlig egal sein, wie er auf sie wirkte, doch das war es nicht. „Sie glauben wohl, ich kenne mich nur mit Komponisten aus, die schon lange tot sind?“
Sie wurde verlegen. „Nun ja, ich habe angenommen, dass diese Musik ihre Persönlichkeit widerspiegelt. Wenn ich etwas über Sie sagen müsste“, fuhr sie fort, „dann würde ich Sie als sehr beherrscht beschreiben. Und deshalb habe ich vermutet, dass sich das auch in Ihrem Musikgeschmack ausdrückt.“ Sie sah ihn forschend an. „Schreien Sie jemals?“
Gerade jetzt hätte er am liebsten geschrien. „Das Problem ist, wenn ein Mann in meiner Position schreit, löst das eine Kettenreaktion aus. Wenn wir beide jetzt zum Beispiel um die Wette schreien würden, kämen sofort die Wachen und würden Sie zum Verhör mitnehmen. Und selbst wenn Sie von jeglichem Verdacht freigesprochen würden, würde man Sie ab dann immer mit einem gewissen Misstrauen betrachten.“
Maggie schaute ihn teilnahmsvoll an.
Was ihn erst recht wütend machte. „Ich brauche Ihr Mitleid nicht“, sagte er.
Sie sah ihn überrascht an, trat auf ihn zu und schüttelte den Kopf. „Wie sollte ich kein Mitgefühl mit Ihnen haben? Es ist unausweichlich,
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