Romana Extra Band 5 (German Edition)
haben.“
Er neigte leicht den Kopf. „Das Vergnügen ist auf meiner Seite.“
Es folgte ein Augenblick unbehaglichen Schweigens. Maggie verschränkte die Finger. „Ich bin noch nicht so weit, dass ich wieder hineingehen möchte“, sagte sie.
„Ich auch nicht“, erwiderte er.
Sah er sie jetzt so an, wie ein Mann eine Frau anschaute, wenn er an ihr als Frau interessiert war? Maggies Puls raste. Das kann nicht sein, sagte sie sich. Das muss am Mondlicht liegen. Sie löste den Blick von Michels Gesicht und ging zu einem Baum, der in der Nähe stand. Sie strich über die kühle, glatte Rinde und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen.
„Sollten Sie nicht schlafen?“, fragte sie. „Haben Sie morgen nicht mindestens drei wichtige Termine?“
„Sechs“, erwiderte er und ging wieder auf sie zu. „Ich tausche ein bisschen frische Luft gegen ein paar Minuten mehr Schlaf.“
Maggie wurde neugierig. „Verschlafen Sie auch manchmal?“
Er sah sie überrascht an, dann lachte er. „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann das zum letzten Mal passiert ist. Vielleicht am College, nach einer langen Partynacht. Scheint eine Ewigkeit her zu sein.“ Er blickte in die Ferne.
Plötzlich war da wieder dieser verbotene Impuls, ihn zu berühren. Maggie hatte dieses Gefühl schon mehrmals gehabt. Obwohl Michel eine sehr starke Ausstrahlung hatte, spürte sie doch seine Einsamkeit. „Wo sind Sie denn aufs College gegangen?“
„Oxford.“
„Und wie viele Hörner haben Sie sich dort abgestoßen?“
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Nicht genug. Und Sie?“
Sie sah ihn überrascht an. „Ich? Hörner abstoßen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Dafür hatte ich keine Zeit. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mich während des Studiums über Wasser zu halten.“
„In Ihrem Lebenslauf steht, dass Sie ‚cum laude‘ abgeschlossen haben.“
„Nun ja“, murmelte sie. „Einer der Gründe, weshalb ich Kinder mit Dyslexie unterrichten wollte, war, dass ich selbst betroffen bin.“
Michel hob die Brauen. „Tatsächlich?“
„Ja, das steht nicht in meinem Lebenslauf, aber die Erfahrung, die ich selbst gemacht habe, trägt sicher dazu bei, dass ich besonders erfolgreich bei der Arbeit mit leseschwachen Kindern bin. Ich weiß, wie es sich anfühlt.“
„Und wie hat es sich angefühlt?“, fragte er leise.
„Schrecklich“, erwiderte sie. „Ich hasste es, zur Schule zu gehen. Mir brach der Schweiß aus, wenn ich beim Lesen an die Reihe kam. Lange Zeit habe ich versucht, meine Probleme zu verheimlichen. Ich kam mir so dumm vor, und mein Bruder war ein perfekter Schüler. Meine Eltern haben gar nicht verstanden, warum ich nicht auch so perfekt war.“
„Wodurch hat sich Ihre Situation geändert?“
„Durch eine sehr engagierte Lehrerin. Sie hat sich nach dem Unterricht Zeit für mich genommen und mir gesagt, ich sei schlau. Sie hat an mich geglaubt und sie hat mir das Gefühl gegeben, dass es in Ordnung ist, anders zu sein.“
„Sie hat Ihnen Kraft gegeben“, stellte Michel fest.
„Ja, das hat sie“, sagte Maggie, froh, dass er offenbar genau verstand, worum es ging.
„Und das hoffen Sie, Maximillian auch geben zu können.“
„Das in sich selbst zu finden, dabei werde ich Max helfen.“ Sie erwiderte Michels Blick. Seine Nähe machte sie nervös. Er ging ihr unter die Haut. Maggie war an eine andere Art von Stärke gewöhnt, die Art von Stärke, die sich in Muskeln oder Bankkonten ausdrückte. Aber wenn sie Michel ansah, dann wusste sie, die Stärke, die er ausstrahlte, war hundertprozentig echt und nicht nur eine oberflächliche Fassade.
„Was denken Sie gerade in diesem Moment?“ Michel machte einen Schritt auf sie zu und sah ihr in die Augen. Instinktiv wich sie zurück, bis sie mit dem Rücken gegen den Baumstamm stieß.
Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste, sie musste jetzt sehr diplomatisch sein, doch ihr wollte einfach nichts einfallen. Sie holte rasch Luft und dabei stieg ihr Michels männlicher Duft in die Nase.
Er hob die Hand und berührte ihr Haar. „Sagen Sie es mir“, forderte er.
Er sagte es mit solcher Autorität, dass sie das Gefühl hatte, gehorchen zu müssen, doch sie tat es nicht. „Nicht in einer Million Jahre“, flüsterte sie.
Er erstarrte. „Wie bitte?“
„Du wagst es?“, schien sein Blick zu sagen. Maggie räusperte sich. „Ich möchte lieber nicht aussprechen, was ich denke.“
„Und ich möchte, dass Sie es mir sagen.“ Wieder
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