Romana Extra Band 5 (German Edition)
für mich kein Zurück mehr.“ Er setzte sich auf. „Nach Nates Herzanfall habe ich mir geschworen, mich grundlegend zu ändern. Und ich werde mein Versprechen halten.“
Sie hatte den leisen Verdacht, dass er vor etwas flüchtete.
„Ich kann verstehen, dass man die Vergangenheit begraben möchte.“ Das versuchte sie ja auch seit Jahren.
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, das ist nicht mein Bestreben. Im Gegenteil, ich will sie in Ehren halten.“ Dann wechselte er schnell das Thema. „So, die Scharniere sitzen jetzt ganz fest. Sie halten bestimmt so lange, bis du entschieden hast, was du mit deiner Küche machen willst.“
„Das weiß ich schon. Ich bin mit deiner Planung einverstanden.“
„Aber das waren doch nur erste Entwürfe.“
„Das kann sein, trotzdem finde ich sie perfekt. Von mir aus kannst du gleich loslegen. Die Öffnung für das Fenster hast du ja schon ausgemessen.“
„Wir werden sehen“, meinte er jedoch nur.
Das war offensichtlich sein Lieblingssatz. Doch diesmal hatte sie den Eindruck, dass er nicht abgeneigt war, gleich loszulegen.
„Möchtest du jetzt den Geheimgang sehen?“
Alles wäre ihr jetzt recht gewesen, um seiner Nähe zu entkommen. „Auf jeden Fall!“ Sie ging auf die Speisekammer zu. Erst als sie in dem kleinen, engen Raum stand, erkannte sie ihren Fehler, denn hier waren sie einander noch viel näher als zuvor.
Als Grant sich in dem Vorratsraum umsah, war er schockiert, denn überall in den vielen Regalen standen Dosen. Offenbar hatte Sophie die Vorräte gehortet aus Angst, ihr könnte das Essen ausgehen. Die Entdeckung machte ihn zutiefst betroffen, denn obwohl seine Eltern sehr beschäftigt gewesen waren, hatte es ihm nie an Wärme und ausreichender Verpflegung gefehlt. Woran mochte es Sophie noch gemangelt haben?
Er fing an, eins der Regale abzuräumen. „Schau dir das an“, sagte er zu Sophie. „Wenn du genau hinsiehst, erkennst du, dass die Wände aus unterschiedlichen Materialien gemacht wurden. Die an der Seite sind aus Pferdehaarverputz, wie es um das Jahr 1850 verwendet wurde, während die Rückwand aus Gipskarton besteht, und das gibt es erst seit dem zwanzigsten Jahrhundert. Außerdem …“, er klopfte an die Wände, „ist der Widerhall völlig unterschiedlich.“
„Im letzten Jahrhundert haben also die Diener das Essen von unten in meine Küche gebracht.“
„Genau, und später haben sie dann das schmutzige Geschirr wieder heruntergebracht, ohne dass die Herrschaft sie zu Gesicht bekam.“
„So einen Service hätte ich auch gern“, überlegte Sophie laut.
Kaum hatte sie es gesagt, bereute sie ihre Offenheit auch schon. Persönliche Geständnisse machten sie immer ein wenig verlegen.
„Wo bist du eigentlich aufgewachsen?“, fragte er. „Kommst du aus der Umgebung?“
„Aus Upstate, New York. Aber das ist ja nicht weiter wichtig.“
Sie wirkte plötzlich wie erstarrt, und Grant war sofort klar, dass ihr das Thema peinlich war. „Lebt deine Familie immer noch dort?“
Sie schüttelte den Kopf. „Meine Eltern sind vor ein paar Jahren gestorben. Als ich zuletzt von meinem Bruder gehört habe, wohnte er noch in Ossining.“
Es gab nur einen einzigen Ort in Ossining, den Grant kannte: das Gefängnis. Sophies brüchige Stimme verriet ihm, dass sich ihr Bruder wohl dort aufhielt.
Diese Erkenntnis traf ihn mitten ins Herz. Das Bedürfnis, sie zu küssen und sie in seinen Armen zu halten, drohte ihn zu überwältigen. Am liebsten hätte er ihr versichert, dass sie sich in Zukunft vor den Dämonen ihrer Vergangenheit nicht länger fürchten müsse, denn schließlich sei er ja jetzt da.
Doch das ging natürlich nicht, deshalb begnügte er sich damit, ihr sanft die Wange zu streicheln. Sophie hatte ihm etwas von sich gezeigt, das sie lieber vor anderen verbarg, indem sie teure Kleider trug und Masterplänen nacheiferte.
Plötzlich wusste er, an wen sie ihn erinnerte.
Als er noch klein gewesen war, hatte seine Schwester Nicole eine blonde Puppe mit lockigem Haar und einem Rüschenkleid besessen. Diese saß stets auf ihrem Bett. Was keiner aus der Familie wusste – ihr Körper war von oben bis unten mit schwarzem Filzstift bekritzelt worden. Das war Grants Werk gewesen.
Sophie war die Verkörperung dieser Puppe. Mit ihrem glamourösen Auftreten überspielte sie etwas. Und das hatte sie ihm gerade offenbart. Ihm war bewusst, dass dies ein ganz besonderer Moment war. „Hast du heute noch etwas vor?“
„Ich muss arbeiten.
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