Romana Extra Band 5 (German Edition)
leichter, nur weil ihre Startbedingungen besser waren. „Kannst du dir vorstellen, wie es ist, mit der Vorstellung zu leben, dass es keine Alternative zum Erfolg gibt. Bei uns zu Hause reichte es nicht, einfach bei den Pfadfindern zu sein. Man musste der allerbeste Pfadfinder im ganzen Land sein und mehr Medaillen einsammeln als jeder sonst. Entweder war man die Nummer eins oder gar nichts. Findest du das besser?“
Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab. „Gut, es war hart für dich, aber wenigstens kannst du in den Spiegel schauen und stolz auf das sein, was du erreicht hast. Wenn ich so wie du ein Aufsteiger gewesen wäre, würde Nate jetzt vielleicht nicht im Krankenhaus liegen.“
„Das kannst du nicht wissen!“
„Nein?“
„Nein“, erwiderte Sophie bestimmt. „Was mit Nate passiert ist, ist nicht deine Schuld.“
„Wenn doch die Leute bloß aufhören würden, das zu behaupten!“ Wütend fuhr Grant an den Straßenrand und hielt den Wagen mit quietschenden Bremsen an. „Verstehst du das denn immer noch nicht?“, fuhr er Sophie zornig an. „Ich habe seinen Anruf ignoriert. Fünf Minuten. Ich hätte nur fünf Minuten für ihn da sein müssen, aber das war mir schon zu viel. Meine Karriere war mir wichtiger als mein bester Freund!“
Die schmerzlichen Bilder übermannten ihn: Der Gesichtsausdruck von Nates Mutter, als sie ihm erzählt hatte, was passiert war. Die qualvolle Zeit in der Notaufnahme. Der junge Mann in dem Designeranzug, den er kaum wiedererkannt hatte.
„Ich kenne dich nicht mehr“, hatte Nate ihn an jenem Nachmittag angefahren. „Wer bist du?“
Grants ganze Wut und Hilflosigkeit kehrten zurück, während er mit den Fäusten auf das Steuerrad einschlug. „Hätte ich mich doch nur gemeldet!“, schrie er.
„Hör auf damit!“, sagte Sophie und packte seine Hände. „Hör auf, dir dauernd diese Vorwürfe zu machen. Du kannst doch nichts dafür, dass Nate Drogen genommen hat.“
„Ich habe ihn aber auch nicht davon abgehalten.“
„Okay. Aber was war denn mit seiner Familie? Mit seinen Kollegen? Warst du etwa als Einziger für ihn verantwortlich?“
„Ja, das war ich“, erwiderte Grant verzweifelt. „Ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Ich wusste es. Und deshalb habe ich das auch zu verantworten.“
„Gut. Dann bin ich auch dafür verantwortlich, dass mein Bruder mit Drogen gehandelt hat.“
Er sah sie überrascht an.
Sophies Augen glitzerten plötzlich feucht. „Als ich auf der Highschool war, wurde mein Bruder verhaftet, weil er mit Marihuana gedealt hatte. Ich ahnte, dass da etwas im Busche war, erzählte es aber niemandem. War es also mein Versagen, dass er auf die schiefe Bahn geraten ist? War es auch mein Fehler, dass meine Eltern zu viel Alkohol getrunken und zu viele Aufputschmittel genommen haben?“
„Nein, natürlich nicht. Sie waren süchtig und hätten dir wahrscheinlich gar nicht zugehört.“
„Das hätte Nate bei dir auch nicht getan.“
„Das ist aber nicht dasselbe.“ Eigentlich ging es ihm gar nicht um Nate. Die größte Angst hatte Grant vor dem Mann, der er einmal gewesen war und von dem er befürchtete, dass er eines Tages zurückkehren könnte. „Ich hasse diesen Kerl“, sagte er, und es war ihm egal, ob Sophie ihn verstand oder nicht, „der seinem besten Freund in den Rücken fällt, der …“
Sophie verschloss ihm den Mund mit einem Kuss. Sie wusste selbst nicht, was sie dazu bewog. Doch sie konnte seine Selbstvorwürfe einfach nicht länger ertragen. Außerdem wollte sie ihm zeigen, dass sie ihn verstand. Sie konnte sein Bedürfnis nachvollziehen, die Vergangenheit zu begraben, und wollte ihm begreifbar machen, dass er nicht allein und sie an seiner Seite war.
Dass er sie daraufhin so leidenschaftlich küssen würde, hätte sie allerdings nicht erwartet. Und obwohl ihr bewusst war, dass damit all ihre guten Vorsätze zum Teufel waren, sehnte sie sich nach mehr. Ihr einziger Trost war, dass Grant danach ebenso erschüttert wirkte wie sie.
„Lass uns nach Hause fahren“, flüsterte er.
9. KAPITEL
Grants neue Badewanne hielt alles, was sie versprach. Sie hatte genau die richtige Größe für zwei Personen. Als Sophie in seinen Armen lag, musste sie sich eingestehen, dass sie sich noch nie so wohl gefühlt hatte.
Nachdem sie das Wasser jedoch verlassen und sich in Grants blauen Frotteemantel gehüllt hatte, begann der Zauber zu verfliegen. Was tat sie hier eigentlich? Der Mann war erst neunundzwanzig! Als sie bereits
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