Romana Extra Band 6
sich … schon wegen der urzeitlichen Felszeichnungen. Es gibt Darstellungen von Krokodilen und Fischen, was beweist, dass es vor langer Zeit hier ein Binnenmeer gegeben hat. Zurzeit gibt es sogar einen Wasserfall, der sich in einen Teich ergießt. Natürlich ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Ava hatte bereits festgestellt, wie gut man dort schwimmen konnte. Er war zwar ziemlich tief, aber dafür kristallklar. Ob sie allerdings in Varos Gegenwart einen Badeanzug anziehen würde …
„Reiten wir dorthin?“, erkundigte er sich. Das Outback faszinierte ihn immer mehr.
Ava schüttelte den Kopf. „Wir nehmen lieber den Jeep. Wenn Sie wollen, überlasse ich Ihnen sogar das Steuer.“ Sie lächelte schalkhaft, doch Varo kam es wie das Lächeln einer verführerischen Nixe vor. „Hier draußen gibt es keinen Linksverkehr.“
„Gracias, señora.“
Offenbar bereitete es ihm Vergnügen, sie an ihre noch nicht gelöste Ehe zu erinnern. Es fiel ihr schwer, das gelassen hinzunehmen, denn mit einem hatte sie nicht gerechnet: dass sie sich verlieben würde.
Durch das Seitenfenster betrachtete Ava die ausgedehnten Sümpfe, in denen Tausende von Wasservögeln nisteten. Der Monsunregen hatte so viel Wasser gebracht, dass sich die wenigen isolierten Feuchtbiotope zu einem weit ausgedehnten flachen See erweitert hatten.
„Bei Dürre trocknen diese Wasserflächen aus“, erzählte sie Varo, der den Jeep so fuhr, wie er offensichtlich alles tat: absolut sicher und souverän. „Dann bilden sich überall Risse, und man erkennt die Spuren von Kängurus, Emus, Kamelen, Wildschweinen, Schlangen oder Menschen. Alle hinterlassen im trockenen Sand ihre Abdrücke.“
„Auf die Kamele bin ich besonders gespannt“, bemerkte Varo.
„Wir bekommen bestimmt welche zu sehen“, versprach Ava. „Afghanische Händler haben sie um 1840 mitgebracht, und sie haben sich ungehindert vermehrt. Sie sind ein Teil dieser Landschaft geworden, können aber auch Schaden anrichten … allerdings nicht so großen wie die Huftiere, denn ihre Füße sind der Wüste angepasst. Sie gehen auf weichen Sohlen. Die ebenfalls eingeführten Wasserbüffel verursachen viel mehr. Übrigens stammen auch die berüchtigten Dingos ursprünglich nicht von hier.“
„Und ich dachte, es wären typisch australische Tiere.“
Varo betrachtete sie von der Seite. Sie hatte den Zopf gelöst und ließ ihr prächtiges blondes Haar in schimmernden Wellen über Schultern und Rücken fallen. Seit dem Essen trug sie ein blaues T-Shirt mit silbernem Designerlogo, unter dem sich ihre festen Brüste deutlich abzeichneten.
„Sie sind seit Ewigkeiten heimisch bei uns, kommen aber ursprünglich aus Südostasien, wo sie wahrscheinlich zahme Haushunde waren. Bei uns haben sie sich allmählich der Wildnis angepasst und sind zu gefährlichen Räubern geworden. Sie greifen jeden an und töten erbarmungslos, vor allem, wenn das Opfer klein ist … etwa wie ein Kind.“
„Eine üble Vorstellung“, meinte Varo. „Wie steht es mit Rindern und Schafen? Können sich ausgewachsene Tiere gegen einen Dingo verteidigen?“
„Kälber und Lämmer nicht. Die Dingos werden von einem erfahrenen Männchen oder Weibchen angeführt und jagen in Rudeln. Bei uns gibt es keine ‚Große Mauer‘ wie in China, aber wir haben den längsten, von Menschen errichteten Zaun der Welt.“
Varo nickte. „Ich habe von dem berühmten Dingo-Zaun gehört.“
„Er ist etwa sechstausend Kilometer lang“, erzählte Ava weiter. „Ursprünglich waren es achttausend, aber 1980 wurden zweitausend Kilometer wegen der hohen Reparaturkosten eingerissen. Der Zaun ist etwa zwei Meter hoch und besteht aus Maschendraht und mit Stahl beschlagenen Holzpfählen. Der Erhalt ist teuer und aufwendig, aber die Barriere schützt über sechsundzwanzig Millionen Hektar Weideland. Und wer vergisst, ein Tor zu schließen, bekommt erheblichen Ärger.“
Varo winkte ab. „Hier draußen merkt das doch keiner.“
„Oh, Sie würden sich wundern“, widersprach Ava. „Hier hält jeder die Augen offen. Man weiß, ob Fremde oder Touristen in der Gegend sind, und ist entsprechend wachsam.“
Im Nordwesten tauchten jetzt die ersten Hügel auf, die sich mit ihren zerklüfteten Gipfeln scharf gegen den kobaltblauen Himmel abhoben. Die rote Erde und die überraschend grüne Vegetation bildeten einen reizvollen Gegensatz dazu. Ein besonders eindrucksvolles Exemplar des schönsten australischen Baums – des berühmten
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