Romana Extra Band 6
aus, ohne Ava loszulassen. „Espléndido.“
„Das ist noch nicht alles.“ Behutsam löste sie sich aus der Umarmung. „Bücken Sie sich, bis ich sage, dass Sie sich aufrichten können.“
Früher hatten sie, Dev und Mel, Taschenlampen mitgebracht, um die Höhle besser auskundschaften zu können. Vor nicht langer Zeit hatte Dev sogar eine Laterne zurückgelassen, die so viel Licht gab, dass man sich im Inneren zurechtfinden konnte.
Varo schob die Ranken beiseite, die den Eingang halb verdeckten.
„Es ist dunkel hier drinnen“, warnte sie ihn, während sie voranging. „Und immer schön bücken.“
Varo brauchte keine Anweisungen. Er hielt sich dicht hinter Ava, um sie auffangen zu können, falls sie auf dem lockeren Kies, der den Boden bedeckte, ausrutschen sollte.
Es war nicht ganz so finster, wie er erwartet hatte. Obwohl kein direktes Licht in die Höhle fiel, war es dort nicht ganz dunkel. Plötzlich wurde es hell. Er sah Ava vor einer Wand knien und mit einer Laterne hantieren, deren flackernde Kerze den Raum ausleuchtete.
Varo war wie verzaubert. Er stand reglos da und betrachtete die Zeugnisse einer frühen primitiven Kunst. Auch Ava, die hier schon oft gewesen war, war immer wieder von dem Anblick fasziniert. Jetzt wünschte sie nichts sehnlicher, als dass ihr argentinischer Gast ebenso begeistert sein würde.
Varo trat näher an eine Wand heran, auf der eine große Schlange – offensichtlich ein Python – in einfachen Umrissen dargestellt war. Das mächtige, weiß gehaltene Reptil wand sich über zwei Wände und reckte den schwarzen Kopf bis zur Decke. Die Menschen der „Traumzeit“, die nur mit wenigen Strichen und weiß umränderten Augen wiedergegeben waren, hatten es zweifellos als Gottheit verehrt.
Auch andere Tiere bevölkerten die Felswände, hauptsächlich Emus, Kängurus und Scharen von Vögeln. Am eindrucksvollsten war das Krokodil, von dem Ava schon erzählt hatte. Es war von Bäumen umgeben, die nur Palmen sein konnten. Auch Fische gab es und Panzertiere, die an Schildkröten erinnerten. Abdrücke von menschlichen Händen umgaben die Zeichnungen wie ein überdimensionaler Rahmen.
Varo drehte sich zu Ava um, die ihn aufmerksam beobachtet hatte. „Das ist wirklich ein bemerkenswertes urzeitliches Denkmal“, urteilte er. „Ganz außergewöhnlich.“
„Oh ja“, bestätigte sie, „aber nur wenige Menschen bekommen es zu sehen. Der Ort gilt nicht mehr als heilig, muss aber trotzdem streng geschützt werden. Dafür sind wir da.“
„Dann fühle ich mich doppelt geehrt. Danke, dass Sie mich hergebracht haben.“ Varo setzte die Besichtigungsrunde fort und ließ sich dabei viel Zeit. Während er langsam weiterging, berichtete er über die Inkas und ihre alte Kultur, die von den spanischen Eroberern, den conquistadores , grausam zerstört worden war. „Alte Tempel und Gräber wurden rücksichtslos ausgeraubt“, erzählte er. „Gold und Silber wurden als Beute nach Spanien gebracht, um die Schatztruhen der Monarchen zu füllen. Als Gegenleistung wurde den Menschen der Katholizismus aufgezwungen.“
„Ist Ihre Familie katholisch?“, fragte Ava.
Varo zuckte die Schultern und schwieg.
„Ich wollte schon immer Südamerika kennenlernen“, fuhr sie fort. „Besonders, seit Dev zurückkam und so fasziniert von den Wundern Ihrer Heimat war. Haben Sie ihm nicht Machu Picchu gezeigt?“
„Ja … die verborgene, von Wolken umhüllte heilige Stadt des alten Peru, das bis in den Nordwesten des heutigen Argentiniens reichte. Machu Picchu gehört zu den Orten, die man im Leben gesehen haben muss. Wenn Sie uns besuchen, wird es mir eine Ehre sein, Ihnen alles zu zeigen, was unser Kontinent zu bieten hat.“ Er trat schnell auf Ava zu, beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte: „Ich werde Ihnen sogar beibringen, wie man Tango tanzt.“
Das Blut stieg ihr ins Gesicht. „Den Sie sicher meisterlich beherrschen?“
„Selbstverständlich.“
Es war so still in der Höhle wie in einer alten Kathedrale. Die Außenwelt schien weit weg zu sein.
Varo blickte in das tunnelartige Gewölbe, das von der Haupthöhle abzweigte und tief in den Berg hineinführte, und schien zu überlegen, ob es ratsam wäre, es weiter zu erforschen.
„Die hinteren Gänge sind noch nie betreten worden“, erklärte Ava. „Keiner weiß, ob es dort einen zweiten Ausgang gibt. Spielen Sie bitte nicht Indiana Jones.“
Varo drehte sich zu ihr um. Ihre Warnung schien ihn zu amüsieren. „Haben Sie etwa
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