Romana Extra Band 6
wandte Rosalie sich ab. Sie brauchte kein Genie zu sein, um sich auszurechnen, was hier gespielt wurde. Dazu musste sie nur eins und eins zusammenzählen. Laurent hatte sie hinters Licht geführt – und zwar von Anfang an.
Tränen verschleierten ihren Blick, und ungehalten versuchte sie, sie wegzublinzeln. Mach dich nicht lächerlich! Laurent ist es nicht wert, dass du für ihn auch nur eine einzige Träne vergießt …
Es war ganz offensichtlich: Laurent und Geneviève Dupré hatten schon die ganze Zeit zusammengearbeitet. Und sie, Rosalie, war vollkommen ahnungslos gewesen. Hatte sie sich von den beiden zu einer Marionette machen lassen. Wie schrecklich dumm sie doch gewesen war!
Diese erbitterte Feindschaft, die angeblich zwischen Geneviève Dupré und Laurent bestand – alles nur gespielt. Die rührselige Geschichte, die er ihr gestern Abend erzählt hatte – erfunden. Das alles war nur ein billiger Trick gewesen, um sich Rosalies Vertrauen zu erschleichen. Und sie war auch noch darauf hereingefallen!
Ein eisiger Schauer durchfuhr sie, wenn sie daran dachte, dass sie mit ihm geschlafen hatte. Auch das war vermutlich nur ein Teil des Plans. Die Dupré gab die Böse, sodass Laurent in der Rolle des zu Unrecht Verdächtigten glänzen konnte. Er würde sie beobachten und ihre Schwächen auskundschaften. Und dann, wenn er etwas gefunden hatte – in ein paar Tagen, vielleicht auch erst in einigen Wochen –, würde er zuschlagen und sein Wissen gegen Rosalie verwenden. Er würde sein wahres Gesicht zeigen und sie zwingen, dem Verkauf der Rosenzucht zuzustimmen. Wie, das vermochte sie im Augenblick selbst noch nicht zu sagen. Doch sie war sicher, dass er einen Weg finden würde.
Und sie hatte tatsächlich geglaubt, dass das zwischen ihnen vielleicht Liebe war. Wie naiv konnte ein Mensch sein?
Nun, zumindest von seiner Seite konnte sie jegliches Vorhandensein tieferer Gefühle nun definitiv ausschließen. Was ihr eigenes Herz betraf, war sie sich ihrer Sache nicht ganz so sicher. Doch was auch immer sie für ihn empfunden haben mochte – nach dieser Geschichte hatte sie nur noch eines für Laurent übrig: Verachtung. Er hatte mit ihren Gefühlen gespielt, ohne auch nur eine Sekunde lang darüber nachzudenken, was er damit anrichtete. Ihm und seiner Komplizin ging es nur darum, sich die Roseraie Baillet für Richard Delacroix unter den Nagel zu reißen.
Doch das würde Rosalie zu verhindern wissen. Die beiden mochten ihr noch so viele Steine in den Weg legen, Lieferanten bedrohen und die Bank dazu bringen, Kredite aufzukündigen – sie würde nicht aufgeben. Und wenn ihr irgendwann tatsächlich nichts anderes mehr übrig blieb als zu verkaufen, dann ganz gewiss nicht an Laurent Colbert oder Geneviève Dupré!
10. KAPITEL
„ Alors , Monsieur Colbert, das hat doch keinen Sinn!“ Adrienne Bonnet schüttelte seufzend den Kopf. „Rosalie will Sie nicht sehen, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht. Bitte, gehen Sie jetzt!“
Seit gut einer Viertelstunde diskutierte Laurent nun schon mit der Haushälterin, doch sie weigerte sich beharrlich, ihn zu Rosalie vorzulassen. Damit hatte er nicht gerechnet, als er ein paar Stunden nach seinem Treffen mit Geneviève zur Roseraie Baillet gefahren war. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was vorgefallen sein mochte. Doch er würde nicht weichen, bis er den Grund erfahren hatte. Und so drängte er sich schließlich mit einem ärgerlichen Knurren einfach an Adrienne vorbei und trat ins Haus.
„Rosalie?“, rief er. „Rosalie, nun komm schon, ich muss mit dir reden!“
„Monsieur Colbert, ich muss doch sehr bitten!“, protestierte Adrienne energisch. „Sie können nicht einfach so hier eindringen, wie es Ihnen gefällt. Wenn Sie nicht auf der Stelle das Haus verlassen, rufe ich die Polizei!“
„Den Teufel werde ich tun“, entgegnete Laurent mit erzwungener Gelassenheit. „Ich gehe erst, wenn ich mit Rosalie gesprochen habe.“
„Aber …“
„Lass nur, Adrienne“, erklang Rosalies Stimme vom oberen Treppenabsatz her. „Würdest du uns kurz allein lassen?“
„Rosalie, endlich …“
Langsam kam sie die Treppe hinunter. Ihr Blick war feindselig. „Was bitte hast du an ‚Rosalie will Sie nicht sehen‘ nicht verstanden?“ Ihre Stimme klirrte wie Eis. „Du glaubst wohl, du kannst dir alles erlauben. Aber zu deiner Information, Laurent: Ich weiß jetzt, was für ein Mensch du bist. Zwischen uns ist alles gesagt – geh
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