Romana Gold Band 11
er so entwaffnend, dass Lorna abermals nichts anderes übrig blieb, als vor seinem Charme zu kapitulieren.
„Sie haben recht“, gab sie widerwillig zu, „außerdem stören Sie tatsächlich niemanden. Und schließlich … wo sollten Sie sonst bleiben?“
„Vielleicht im Stall?“, schlug Martin scheinheilig vor.
Lorna spielte nervös mit ihrem Zopf. „Machen Sie mich und sich nicht lächerlich, Martin. Sie dürfen natürlich im Haus bleiben. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Gleich kommt Fiona, um mir beim Satteln der Ponys zu helfen.“ Sie öffnete die Hintertür, die direkt auf den Hof führte. „Also bis später. Ich muss Sie wohl kaum auffordern, es sich recht bequem zu machen.“
Zum Teufel mit dem Kerl, dachte Lorna, als sie draußen war. Sie hatte ihn wider besseres Wissen in ihr Haus aufgenommen, hatte ihn – ohne recht zu überlegen – zum Dinner eingeladen, und jetzt nahm er sich einfach die Freiheit, den Tag über dazubleiben. Wenn sie nicht aufpasste, würde er gar nicht mehr gehen und mit seiner Mischung aus Charme und sanftem Spott alles erreichen, was er wollte.
Doch jetzt musste sie sich um wichtigere Dinge kümmern. Mochte Mr Martin Ritchie ihr Haus auch weiterhin besetzt halten – aus ihren Gedanken würde sie ihn verbannen, und dafür war ein langer ermüdender Reitausflug genau das richtige Mittel.
Die Insel zeigte sich an diesem Morgen von ihrer schönsten Seite. Heide und Farn bedeckten die sonnigen Hänge, die sich auf der einen Seite bis zum dunstverschleierten Gipfel des Ben More und auf der anderen Seite bis zum Meer hinzogen. Die Luft war so klar, dass die Reiter vom Strand aus sogar die Cuillin Hills auf der nördlich gelegenen Insel Skye erkennen konnten, was äußerst selten vorkam.
Als ein Teilnehmer den Vorschlag machte, den Ausflug wegen des schönen Wetters bis in den Nachmittag hinein auszudehnen, war Lorna gern bereit dazu, und es wurde spät, bis sie wieder nach Glenmore kamen und vor dem Stall erschöpft aus dem Sattel stiegen.
„Ich weiß nicht, wie es dir geht“, sagte Lorna zu Fiona, nachdem sie die Ponys abgesattelt, gestriegelt und gefüttert hatten. „Ich bin inzwischen halb verhungert. Komm mit in die Küche, ich mache uns rasch ein Sandwich. Es dauert nur eine Minute.“
„Vielen Dank, Lorna“, antwortete Fiona, „aber wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber gleich den Heimweg antreten, denn ich habe meiner Mutter versprochen, heute bei ihr zu essen.“
„Ganz wie du willst.“ Lorna nahm die Absage nicht übel. „Dann bis morgen – und vielen Dank, dass du so lange mitgekommen bist.“
Sie überquerte den Hof, wo Janes Escort stand. Nachher würde sie in den Laden hinübergehen, aber zuerst musste sie duschen und etwas essen.
Plötzlich fiel ihr Martin ein. Ob er noch da war? Eine Mischung aus Unbehagen und Spannung erfüllte Lorna, und sie strich sich instinktiv das Haar aus der Stirn, ehe sie die Küche durch die Hintertür betrat.
Wie sie erleichtert feststellte, war Martin nicht da. Nur sein Aktenkoffer und ein Stapel Papiere lagen ordentlich auf dem Tisch. Anscheinend hatte er es sich im Laufe des Tages doch anders überlegt und war spazieren gegangen.
Lorna wusch sich die Hände, schnitt zwei Scheiben Brot ab und ging zum Eisschrank, um nachzusehen, womit sie die Scheiben belegen konnte. Dabei fiel ihr Blick auf das Blatt Papier, das als oberstes neben Martins Aktenkoffer lag.
‚Enterprise Tours‘ stand darauf, und Lorna nahm das Blatt in die Hand, um es genauer zu studieren. „‚Enterprise Tours‘“, wiederholte sie laut. Nein, sie hatte sich nicht geirrt. „‚Park Street, Glasgow. Direktoren: C. Langdon, W. P. MacPharlane, M. D. Ritchie.‘“
Da war er schwarz auf weiß – der eindeutige Beweis, nach dem sie so lange gesucht hatte! Die Buchstaben begannen vor ihren Augen zu tanzen. Sie setzte sich hin, legte das Blatt vor sich auf den Tisch und versuchte, Martins Handschrift zu entziffern.
Er hatte sich offensichtlich Notizen über die Insel gemacht. Einzelne Wahrzeichen waren vermerkt, ebenso besonders schöne Aussichtspunkte, die sich für einen nicht genauer bezeichneten, aber leicht zu erratenden Zweck eigneten – den Tourismus.
‚Keine Parkmöglichkeit‘, stand an einer Stelle. ‚Schlechte Straßen, aber fantastische Landschaften.‘ Und an einer anderen Stelle hieß es: ‚Müsste auf Erweiterungsmöglichkeiten überprüft werden.‘
Also hatte sie doch recht gehabt. Das Misstrauen, das
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