Romana Gold Band 13
aus wie ein Mann der Berge, und sie selbst konnte kaum glücklicher und zufriedener wirken.
„Wo bist du in den letzten fünf Jahren gewesen?“, fragte sie, um das verfängliche Thema zu wechseln.
„Unterwegs.“
„Erzähl mir davon.“
„Damit du zu Hause Bericht erstatten kannst?“, fragte er belustigt.
Zu diesem Zweck hatte sie ihn aufgesucht. Sie sollte Anna Drayfords Brief überbringen und mit Neuigkeiten über ihren Sohn zurückkehren. Jetzt allerdings fragte sie sich, ob sie überhaupt etwas über ihn berichten würde, außer dass er gesund und munter war.
„Ich bin nie unterwegs gewesen“, sagte sie bedauernd. „Ich habe zwar gelegentlich Urlaub gemacht, aber dies ist meine weiteste Reise. Ich beneide dich. Erzähl mir, wo du gewesen bist. Ich werde die Augen schließen und mir vorstellen, ich sei dabei gewesen.“
„Bei mir?“
„Warum nicht?“
„Ich könnte dir leicht ein paar Gründe aufzählen.“ Dennoch begann er zu erzählen. Eines Sommers, bald nachdem er England verlassen hatte, war er in den Bergen Kretas einem Schäfer begegnet. Mit der legendären Gastfreundschaft der Bergbewohner hatte dieser ihn zum Essen in sein Haus eingeladen. Sie hatten sich angefreundet, und Rafe war seitdem stets wiedergekommen, um den Sommer hier zu verbringen. In diesem Jahr war er im Bergdorf geblieben, während die anderen in das Winterquartier an der Küste hinabgezogen waren.
Rafe nannte den Namen der Frau und der Kinder, und Caroline spürte, dass ihm diese Familie viel mehr bedeutete als Robert und Anna Drayford … und Yanni, der Schäfer, war ihm ein besserer Bruder, als Christopher es je gewesen war.
„Hier würden deine Eltern dich also finden können“, sagte sie zögernd, „wenn sie dich sehen wollten?“
Rafe lachte auf. „Lassen wir mal meinen Vater beiseite. Aber kannst du dir meine Mutter in einem Jeep auf der Landstraße vorstellen? Oder an dem Tisch in meinem Haus zum Abendessen? Und wenn sie über Nacht bleiben wollte, glaubst du, sie würde lieber auf der Leiter unters Dach kriechen oder auf der Ofenbank schlafen?“
Caroline fiel in sein Lachen ein. „Ich sehe ein, dass sie nicht verstehen wird, wie du hier lebst. Ich werde ihr nur sagen, dass es dir gut geht.“
„Tu das“, stimmte er zu. „Ich werde ihr in den nächsten Wochen schreiben – wo immer ich dann auch sein werde.“
„Nicht hier?“
Er zuckte die Schultern. „Wahrscheinlich nicht.“
Sie wünschte, er würde hier bleiben. Sie würde wissen wollen, wo er sich aufhielt. Es erschien ihr wichtig, mit ihm in Verbindung treten zu können. Noch immer zögernd fragte sie: „Würdest du … mir auch schreiben?“ Er hob als Antwort nur eine Augenbraue. „Nein, natürlich nicht“, fügte sie deshalb rasch hinzu. „Also, wo wirst du hingehen … und wo bist du sonst noch gewesen?“
Rafe erzählte ihr mehr, als seine Familie zu Hause je erfahren hatte. Seine Briefe waren immer sehr kurz gewesen, doch für Caroline ergänzte er jetzt die Details. Dennoch war sie sicher, dass auch dies eine zensierte Version war und auch sie nur die Hälfte der Wahrheit zu hören bekam.
Er war in den letzten Jahren vor allem gereist. Er war gewandert und per Anhalter gefahren, hatte hier und da gearbeitet und sich durchs Leben geschlagen. Wie er es erzählte, klang es wie ein faszinierender, unterhaltsamer Reisebericht. Aber sicherlich war nicht alles so angenehm gewesen. Rafe Drayford war ein Mann, der sich vermutlich ebenso auf der dunklen Seite des Lebens aufhielt wie auf der sonnigen.
Doch seine Erzählung war so lebendig, dass Caroline sich bald einbilden konnte, sie wäre dabei gewesen. Sie folgte in Gedanken seinen Spuren, und das war so entspannend wie der tiefste Schlaf. Sie lag dicht an ihn geschmiegt und wünschte sich, dieser Tag würde nie vorübergehen. Rafe nah zu sein war alles, was sie im Augenblick wollte. Sie waren sich beide sehr ähnlich, und dieses Lager in ihrem Bergversteck war wie ein Boot auf dem Ozean. Es war wie ein Traum.
„Das muss ein sehr glücklicher Tag gewesen sein“, stellte Caroline fest, als Rafe gerade von einer Feier mit Eingeborenen in Peru erzählte.
„Das war es auch.“ Er veränderte seine Position. Sein Arm lag noch immer unter ihrem Kopf, doch Rafe hatte sich etwas aufgerichtet und sah sie jetzt von der Seite an. „Nun bist du an der Reihe.“
„Womit?“ Sie gähnte unwillkürlich.
„Erzähl mir von einem glücklichen Tag in deinem Leben!“
Es hatte viele
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