Romana Gold Band 15
seine Frau werden, aber sie wusste auch, dass sie ihm zuerst die Wahrheit sagen musste. Da sie nur die Tante war, würde er sie fallen lassen und alles daransetzen, den Sohn seines toten Bruders zu adoptieren.
Entschlossen verdrängte sie alle Gedanken an Javier und sah sich um. Dem Spanier, der das Entgelt für die Fahrt einsammelte, schenkte sie ein strahlendes Lächeln.
Sie griff nach ihrer Kamera und machte ein paar Schnappschüsse der Hafenszenerie, der weiten Strände und von Cadiz, der weißen Stadt, die langsam in Sicht kam.
Die pittoresken Eindrücke ließen sie ihre Sorgen vergessen. Und erst als die Fähre in Cadiz angelegt hatte, Cathy in einem Straßencafé saß und mit „Café solo, por favor“ bestellt hatte, kam ihr ganzes Elend wieder zurück.
Das letzte Mal hatte sie in Jerez an einem solchen Tisch gesessen, zusammen mit Javier. Damals war er wütend gewesen, weil sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Für eine Ehe, die nur auf dem Papier bestehen sollte. Das war einfach gewesen. Aber sein jetziger Antrag …
Sie trank ihren Kaffee aus und machte sich auf den Weg in die Stadt. Das Sonnenlicht auf den weißen Gebäuden faszinierte sie. Sie wanderte umher, mal am Meer entlang, dann wieder durch enge Gassen mit Blumen überladenen Balkonen und bewachsenen Veranden. Cadiz war einer der ältesten Städte Europas, und diese Atmosphäre eines alten Handelszentrums war immer noch zu spüren. Leicht konnte man sich die reichen Kaufleute und Händler, die Kurtisanen, die Könige aus vergangenen Zeiten vorstellen, die diese Stadt zu einer Metropole am Meer gemacht hatten.
Ihr war heiß, und sie war hungrig, als sie den Weg zurück zu den Docks suchte. Sie hatte noch nicht einmal einen Bleistift angerührt, sie war einfach nur umhergewandert, bemüht, sich abzulenken und nicht an Javier zu denken. Ihre Füße schmerzten, und die Baumwollbluse klebte an ihrer Haut. Die Meeresbrise wehte ihr das lange Haar ins Gesicht.
Cathy blieb stehen und versuchte, die Strähnen hinter die Ohren zu streichen, als sie aufschaute und Javier aus einer Zweigstelle der Banco de Andalucía kam. Auf dem Bürgersteig blieb er stehen und erblickte sie.
Und für Cathy blieb die Welt stehen, als sie sein strahlendes Lächeln sah. Er sah atemberaubend aus. Doch nicht nur das. Er war eben ein ganz besonderer Mann, und sie liebte ihn. Mit einem flauen Gefühl im Magen erwiderte sie sein Lächeln, während er mit schnellen Schritten auf sie zukam.
„Was machst du denn hier?“
Beide sprachen sie zur gleichen Zeit. Javier lachte, als er Cathy den Vortritt ließ. „Du zuerst.“
„Oh, nur ein paar Zeichnungen“, teilte sie ihm atemlos mit. Sie wunderte sich, dass der Moment, den sie seit über einer Woche so gefürchtet hatte, unter so zauberhaft unwirklichen Umständen zustande gekommen war. Ihr wurde klar, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
Er nahm ihre Hand. „Ich freue mich schon darauf, sie mir anzusehen.“
„Nun …“ Wie sollte sie ihm sagen, dass sie noch nicht einmal ein Blatt Papier bemalt hatte? Sie musste das Thema wechseln. „Und du?“ Ihre Finger drückten seine Hand, als ob ihr Leben davon abhinge.
„Ich wollte hier noch etwas auf dem Rückweg nach Jerez erledigen.“ Sein Blick glitt forschend über ihr Gesicht. „Du siehst müde aus. Hast du schon etwas gegessen?“
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Gefühle überwältigten sie. Sie wusste jetzt, sie würde das, was er ihr anbot, nicht kampflos aufgeben. Wenn sie ihn dazu bringen konnte, dass er ihr zuhörte – er würde doch sicher verstehen können, warum sie ihn belogen hatte, oder? Und ihr vergeben?
„Gut, dann also Lunch.“ Er öffnete die Tür des Mercedes und ließ sie einsteigen.
In wenigen Minuten saßen sie zusammen auf der schattigen Terrasse eines Restaurants und sahen auf den blauen Atlantik hinaus.
„Ensalada mixta, danach Langostinos a la Plancha“, entschied Javier. Er sah ihr ins Gesicht. „Es wäre ein Verbrechen, die Früchte des Meeres hier nicht zu probieren!“
Eine banale Bemerkung, aber Cathy schmolz innerlich. Mit seiner Stimme würde sogar eine Einkaufsliste wie ein Liebesgedicht klingen. Sie nippte an dem kühlen Manzanilla und entschloss sich, diese eine Stunde, dieses unerwartete Glück zu genießen. Sie würde sich Gedanken über ihre Antwort auf seine Frage machen, wenn es so weit war.
„Du entspannst dich. Das ist gut“, bemerkte er, als der frische Salat serviert wurde. „Ich frage mich, ob es meine
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