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Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Titel: Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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Zum Glück ist wenigstens die Guillotine abgeschafft und durch den Shitstorm im Internet ersetzt worden.
    Danton neigte zur Milde, weil er, aus eigener Erfahrung, die Fehlbarkeit des Menschen kannte und um seine Schwächen wusste. Halten sich die Leute heute beim Schreiben ihrer Hasskommentare wirklich selbst für so tugendsam und für unfehlbar? Übersteigt es tatsächlich ihre Phantasie, dass, wenn wieder einmal jemand am Pranger steht, demnächst genauso gut sie selbst dort stehen könnten?

Nürburgring
    Je näher man an den Nürburgring herankommt, desto schneller fahren die Leute. In Altenahr denkt man noch, na prima, der Verkehr läuft hier schön zügig. Kurz vor Adenau kriegt man Angst. Hinter Adenau liegt dann das Durchschnittstempo 20 Kilometer über dem, was im Rest von Deutschland gerade noch als menschenmöglich gilt. In der Nähe von Nürburg fängt man automatisch selber an, die Kurven mit 80 zu nehmen und sagt sich: Whow, das ist grenzwertig. Aber die anderen röhren sogar mit 130 an einem vorbei. Sie haben alle Alufelgen und Spoiler, und das Auto ist meistens tiefergelegt. Es ist der Wahnsinn. Es ist härter als Brandenburg kurz nach der Wende.
    Wir sind in Rheinland-Pfalz. Auf der Fahrt durch die Eifel sieht man Mischwald, Bergkuppen mit und ohne Burg darauf, zahlreiche Bäche und Campingplätze sowie das Gasthaus »Zum Wurstkessel«. Man denkt vor sich hin: »Deutscher als dies hier kann eine Landschaft nicht sein.« Die Straßen sind durchweg gut. Wenn auch extrem kurvenreich.
    Dann also ist man am Ring. Ein Kassenhäuschen, eine Schranke, ein Parkplatz. Das Lokal »Zur grünen Hölle«, ein Betonbau im Stil der Neuen Hässlichkeit. Auf dem Parkplatz steht das Erhabene neben dem Trivialen, also beispielsweise ein 30 Jahre alter Austin Healey, wunderschönes englisches Sportcabrio, neben einem frisierten Toyota.
    Meistens sind es Porsches. Man macht sich, wenn man nicht dort war, keine Vorstellung davon, wie viele Porsches es in Deutschland gibt. Sie sind am Nürburgring alle silberfarben. Nein, einige sind schwarz. Andere Farben kommen nicht vor, kein Rot, Grau oder gar Grün. Ein grüner Porsche, das wäre ja auch wirklich eine bizarre Idee.
    Um geöffnete Motorhauben herum versammeln sich Gruppen von Männern und lassen sich erklären, wie der Motor getunt ist. In vielen Autos fehlen die Rücksitze, stattdessen ist ein Gestänge eingebaut, damit beim Überrollen die Überlebenschancen größer sind.
    Neben dem Kiosk steht eine Tafel mit Hinweisen. Man soll bei Unfällen nicht vergessen, die Zahl der Verletzten möglichst exakt durchzugeben. Man soll vor Fahrtbeginn auch unbedingt die SOS-Handynummer einspeichern, damit man im Falle eines Falles nur eine Taste drücken muss. Vielleicht kann man sich nur noch schwach oder unter Schmerzen bewegen, da freut man sich schon, wenn es nur eine einzige Taste ist.
    Außerdem steht auf der Tafel: »Unterschiedliche Reibwerte der Strecke machen den Eifelkurs zu einer sehr anspruchsvollen Herausforderung.« Eine Runde kostet 14 Euro. Die meisten kaufen Fünferkarten, das gibt Rabatt. Und man hat vielleicht mehr von den Reibwerten.
    Der Nürburgring wurde 1927 gebaut, das war unter anderem eine soziale Maßnahme zugunsten der armen Eifelbauern. In der Eifel herrschte schon damals Arbeitsplatzknappheit, Verschuldung, Reformstau und all das. Die Strecke war 22  Kilometer lang und hatte auf 400  Metern Höhenunterschied 118 Kurven. Das war auch Wahnsinn.
    Autorennen begannen damals noch zu Fuß. Das heißt, die Rennfahrer standen mit gezücktem Zündschlüssel in einerReihe gegenüber von ihren geparkten Autos, beim Startschuss spurteten sie alle los, sprangen rein, starteten und ab. Der Sieger hieß in der ersten Zeit fast immer Rudolf Carracciola im Mercedes, ein Bursche aus einem Dorf der Nachbarschaft, trotz des italienischen Namens. Er fuhr ohne Gurt und Helm. Das war sein Stil.
    1934 wurde eine neue Regel eingeführt. Als Höchstgewicht der Rennwagen waren 750 Kilo erlaubt. Der neue Mercedes W25 aber brachte beim Testwiegen 751 Kilo auf die Waage. In der Nacht haben sie die weiße Farbe abgeschmirgelt, am Morgen stand das Auto mit vorschriftsmäßigen 750 Kilo da und in nacktem, silbrigem Blech. Dies war die Geburtsstunde der legendären Silberpfeile.
    Deswegen fahre ich am Ring einen silberfarbenen Mercedes. A-Klasse. Vollkasko. Es ist kein Silberpfeil, mehr so eine Art Silberknubbel. In den Kurven kommt Elchteststimmung auf. Die Strecke? Es

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