Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
dem Revolver. Er verdrängt, sieht nur, was er sehen will, hat in der Partei wenige echte Freunde. Ein Eigenbrötler, ja, das sei er. Und konservativ natürlich. Seine Tochter hat jetzt allerdings ein Kind und will arbeiten gehen, seitdem redet er in der Familienpolitik plötzlich moderner.
Er, der Aufsteiger, hat früher als andere begriffen, dass es auf die Bildungspolitik ankommt. Seit er regiert, seit 1991, hat er systematisch Geld in Kinderhorte, Schulen und Universitäten geschaufelt. Er hat nicht herumexperimentiert, sondern einfach 15 500 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, und wenn heute Baden-Württemberg in den Wirtschaftsdaten relativ gut dasteht, dann auch deswegen. Von den zehn Universitäten, die in den diversen deutschen Rankings führen, liegen meist sechs in Teufels Land.
Was jetzt in Teufel vorgeht, kann man sich vorstellen, wenn man seine Biographie betrachtet. Vor fast 50 Jahren gab es in Villingen-Schwenningen zwei Mitglieder der Jungen Union, die oft gemeinsam zu Diskussionsveranstaltungen gingen und bis heute enge Freunde blieben, Erwin Teufel und Heiner Geißler. Er teilt nicht alle Auffassungen Geißlers, manche schon. Zum Beispiel sagt er: »Die CDU muss auch als Partei der kleinen Leute wahrgenommen werden, sonst ist sie nicht mehrheitsfähig.« Auf der anderen Seite stand im Ort ein Jungsozialist,der immer gegen sie anstänkerte, der hieß Erhard Eppler. Man blieb lebenslang in Kontakt. Wenn man Teufel fragt, vor welchem Sozialdemokraten er Hochachtung empfinde, fällt als einer der ersten der Name Eppler.
Als Lothar Späth im Affärenstrudel versank, blieb Teufel loyal bis zum letzten Tag, obwohl klar war, dass er die Nummer eins war auf der Liste potentieller Nachfolger. Nur einmal in Teufels Laufbahn trat er in offener Feldschlacht zur Kampfkandidatur an, da ging es um den stellvertretenden CDU-Landesvorsitz, der Gegner hieß Manfred Wörner, später Verteidigungsminister. Teufel siegte. Erst kürzlich hat er wieder Wörners Grab besucht, zum Todestag. »Freundschaften sind in der Politik möglich«, sagt er, fast treuherzig.
Seit er bei einer Wiederwahl zum Landesvorsitzenden nur 77 Prozent bekam und sie in der Partei immer öfter Witze über seine Schwerhörigkeit machten, war klar, dass er um eine nächste Amtszeit, falls er sie will, kämpfen muss. Er wartete aber ab, sonderbar passiv. Er machte Fehler. Zum Beispiel verpasste er verschiedene Gelegenheiten, seinen Hut in den Ring zu werfen und zu sagen: »Ich will’s noch mal werden.« Den offenen, sichtbaren Königsmord hätte der Rivale nicht gewagt, dazu war der Alte noch zu stark und hatte zu gut regiert.
Aber Teufel schien zu wollen, dass seine Partei ihn ruft. Da konnte er lange warten, denn alle, die unter ihm nichts geworden waren, witterten jetzt ihre Chance, unter dem Neuen. Die, die nichts geworden sind, sind nämlich immer in der Mehrheit. Als sein treuer Minister Christoph Palmer einen von Oettingers Leuten öffentlich ohrfeigte, als Palmer schrie: »Drecksau! Verräter!«, ein unerhörter Vorgang in der deutschen Politik, Bürgerkrieg quasi in der CDU, da war es aus für Erwin Teufel.
Teufel steht auf. Er wünscht Gottes Segen für den Besucher. Er geht ein wenig linkisch hinaus, ein bäuerlicher König Lear. In der »Zeit« stand, er sei »gewissermaßen ein Opfer seiner Charaktervorzüge«. Jetzt also Oettinger. In Stuttgart steht ein blutiger Thron.
Milch
Jetzt ist die Milch also auch teurer geworden.
Natascha Hirschmann, angehende Tierärztin, hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Mutter, vom Kindsvater getrennt, in Hessen, Vogelsbergkreis. Ihr 200 Jahre alter Bauernhof, mitten im Dorf Mücke, sieht nach Bullerbü und Ökoparadies aus, ein zahmes Schwein watschelt herum, auch ein Esel ist vorhanden. Seit zwei Jahren arbeitet Hirschmann für eine Tierschutzorganisation, Animal Angels.
Moment mal, Janko, der Sohn, will ein Salamibrötchen. Er kriegt es. Er darf auch mit dem Computer spielen, während seine kleine Schwester sich schminkt. Und Natascha Hirschmann fährt Motorrad. Manchmal strahlen Tierschützer etwas Fanatisches oder Weltfremdes aus, bei Hirschmann ist das nicht der Fall. Sie scheint vollkommen normal zu sein, nur Fleisch isst sie nicht mehr. Sie trinkt auch keine Milch, insofern lässt der Milchpreis sie kalt. Ihr distanziertes Verhältnis zur Milch hat damit zu tun, dass sie, als Landbewohnerin, als Veterinärmedizinerin und als Mitarbeiterin einer Tierschutzorganisation, einiges über
Weitere Kostenlose Bücher