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Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Titel: Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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Zeiten.
    Bei der wiederholten Lektüre des »Kleinen Prinzen« ist mir aber noch eine andere Frage immer wieder in den Kopf gekommen, ich kann sie bis heute nicht befriedigend beantworten: Was genau ist eigentlich »Kitsch«? Die Antwort darauf kann nur subjektiv sein. Es gibt die verschiedensten Ansichten. Manche sagen: Man erkennt Kitsch, wenn man ihn sieht. Das finde ich zu einfach.
    Ein paar Hinweise auf Kitsch gibt es vielleicht doch. Verniedlichung ist zum Beispiel ein starkes Kitsch-Indiz, also, eine verniedlichte Bibel wäre garantiert Kitsch. Die Verwendung des Kindchenschemas zum Zwecke der Produktion von Sentimentalität  – garantiert Kitsch. Stereotype und Klischees, etwa das unschuldige Kind, das Schäfchen und die Sternlein, die schöne Rose, Sätze wie »Er schüttelte sein goldenes Haar im Wind« (Seite 34): ganz, ganz schwerer Kitsch.
    Kitsch hat, bei allen Unterschieden, eine Gemeinsamkeit mit der Religion insofern, als er über den unguten Zustand der Welt hinweghilft. Kitsch entwirft eine heile Gegenwelt, sozusagen ein Paradies. Der strenge Theodor Adorno meinte deshalb, Kennzeichen des Kitsches sei seine »dümmlich tröstende« Wirkung.
    Damit will ich nicht sagen, dass Tröstendes, Sentimentales, auch Dümmliches nicht ihren legitimen Platz auf der Welt hätten, das wäre ja furchtbar. Eine Welt ohne Schlager, ohne Fernsehfilme, in denen sie sich am Ende kriegen, ohne Bilder von röhrenden Hirschen und ohne goldenes Haar, das im Wind geschüttelt wird, wäre zweifellos um vieles ärmer. Das Gleiche gilt für Sterne, die Kindern zu trinken geben. Bei Kinderliteratur gelten sowieso andere Maßstäbe, man muss denKindern nicht ständig den unheilen Zustand der Gesellschaft und all diese hässlichen Dinge unter die Nase reiben, das finden sie schon früh genug selbst heraus. Die Verlogenheit, sie lebe hoch, nur – große Kunst ist das nicht unbedingt.
    Auffällig ist, dass sich auf den hinteren Seiten ein bestimmtes Stilmittel, das Saint-Exupéry offenbar sehr mag, auf ähnlich wundersame Weise vermehrt wie die Brote und die Fische unter den Händen Christi. Es sind die drei mysteriösen Punkte, meist am Ende eines Satzes, manchmal auch mittendrin.
    »Alle Sterne werden mir zu trinken geben ...«
    »Und auch er schwieg, weil er weinte ...«
    »Du weißt ... meine Blume ... ich bin für sie verantwortlich!«
    »Hier ... Das ist alles ...«
    Und so weiter. Auf fünf Seiten, von 113 bis 120 (zwei davon sind Illustrationen) werden die drei Punkte genau 35-mal zum Einsatz gebracht. Zählen Sie ruhig nach ...
    Drei Punkte stellen den Versuch dar, einen Satz mit einer schwebenden Bedeutung aufzuladen, Bedeutung, die der Autor mit Bordmitteln nicht hat beschaffen können. Ich kann es nicht ausdrücken, also deute ich es zwischen den Zeilen an. Diese Methode gilt nicht unbedingt als Ausweis stilistischer Meisterschaft, eher als das Gegenteil.
    Bei Saint-Exupéry passt es insofern, als er ja wieder und wieder die Auffassung vertritt, dass man, nicht wahr, die wichtigen Dinge ohnehin nicht erkennen kann, jedenfalls nicht mit dem Auge und dem Verstand, eine Position, die –  und das sage ich jetzt bloß fürs Protokoll, nicht als Vorwurf – antiaufklärerisch und antirational ist. Aber was soll’s. Ich habe bestimmt mal wieder das Wesentliche übersehen.Dies mögen mir alle kritischen Leser zugutehalten – der kleine Prinz hätte für all meine Irrtümer Verständnis:
    »Was wichtig ist, sieht man nicht ...«
    »Gewiss ...« (Seite 112)
    ...

Der Garten
    Auch Gärtner können böse werden. Dieses Jahr ist wieder ein Schneckenjahr. Es hängt mit dem milden Winter zusammen, zu viele Schneckeneier haben überlebt. Jetzt kriechen also diese Tiere in Massen herum und fressen alles auf, verdammte Schleimer, Klimawandelprofiteure. Man kann sie aufsammeln. Sie rennen ja nicht weg. Ich frage mich, wie man eine Schnecke waidgerecht tötet. In heißes Wasser werfen? Zertreten? Ins All schießen? Die Evolution sollte ein neues, schneckenfressendes Raubtier hervorbringen.
    In Deutschland gibt es eine Million Kleingärten. Ein Kleingarten steht für sich alleine, er ist kein Hausgarten. Die Leute, die sich um ihn kümmern, sind meistens Städter, denen in ihrer Stadtwohnung etwas fehlt. Der Schrebergarten, benannt nach dem Leipziger Arzt Gottlob Moritz Schreber, ist eine Sonderform des organisierten Gärtnerns. Vor Schrebers Zeit, er lebte von 1808 bis 1861, gab es für solche Kleingartenkolonien das

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