Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Wort »Armengärten«. »Schrebergarten« klang besser. Inzwischen gibt es wieder ein neues Wort, es kommt aus New York, gehört den Globalisierungsgegnern und heißt »Guerilla Gardening«. Die Gartenguerilla sät Disteln auf Golfplätzen und Brennnesseln in den Parks von Vorstandsvorsitzenden, vor allem aber legt sie in den Städten wilde Gärten an, überall, wo es geht. Die Hippies flohen einst aus der Stadt in Landkommunen, die Attac-Leute dagegen wollendie Stadt für das Grün zurückerobern. Gärtnern ist rebellisch.
Es ist so, dass man, um einen Garten lieben zu können, in den meisten Fällen ein gewisses Lebensalter erreicht haben muss. Garten und Jugendliche, das passt nicht.
Wie alt muss man sein? Alt genug, um einen Begriff von der Zeit zu haben, von den Gesetzen des Aufstiegs und Niedergangs. Dreißig? Gärtnern ist etwas für Erwachsene. Mit 20 hält man, dumm, wie man ist, Rasenmähen für den Inbegriff des Spießigen.
Fünf Jahre lang haben wir einen Garten gehabt, zusätzlich zur Stadtwohnung. Der Besitzer braucht Bares, er verkauft jetzt das Land, der Pachtvertrag wurde gekündigt. Wir haben die mit viel Mühe und auch viel Geld hergerichtete Laube blutenden Herzens sowie knirschender Zähne leer geräumt, wir haben die für 400 Euro erworbenen Pflastersteine der lauschigen Sitzecke unter dem Quittenbaum auf E-Bay versteigert und dafür 80 Euro gekriegt, wir haben die Gartenmöbel in den Keller der Stadtwohnung geschleppt und versuchen, ein paar Pflanzen, ein Prozent der Bevölkerung sozusagen, an ein zweites Leben im Balkonkasten zu gewöhnen, als lebende Erinnerungsstücke.
Der Garten war kein Schrebergarten. Er ist Teil eines Parks gewesen, der eine Kaiserzeitvilla umgab. Unternehmer. Reich. Wasserblick. Der Sohn des Villenerbauers soll geschäftlich weniger tüchtig gewesen sein als der Vater, angeblich hat er die Firma ruiniert. In den frühen 50ern wurde der Park in Pachtgärten von 400 bis 600 Quadratmetern aufgeteilt. Der weniger tüchtige Sohn lebte von den Pächtern. Der Enkel, ein noch schlimmerer Hallodri, verkauft jetzt das Ganze.
Wir hatten den Garten, zum Teil wenigstens, wegen des Kindes gepachtet. Aber das war ein Irrtum. Das Kind ist damals bereits zehn Jahre alt gewesen, zu groß für die Freuden des Gartenlebens. Von Anfang an musste es mühsam dazu überredet werden, in den Garten mitzufahren. Das Gartenleben mit dem Kind funktionierte überhaupt nur mit Hilfe endloser Federballturniere und wurde immer schwieriger. Uns dagegen gefiel der Garten immer besser.
Alle Gärtner kennen dieses Problem. Die Kinder werden größer, finden den Garten langweilig, wollen nicht mehr. Ein Gartenbesitzer hat mir erklärt, dass es in der Abfolge der Generationen eine Gesetzmäßigkeit gibt. Wer als Kind ohne Garten in der Stadt aufgewachsen ist, der wird als Erwachsener Gärten lieben. Wer aber als Kind von den Erwachsenen gegen seinen Widerstand in den Garten geschleppt oder sogar zur Gartenarbeit gezwungen wurde, der ist mit dem Gärtnern fertig bis ans Ende seiner Tage. Die Liebe zum Garten überspringt immer genau eine Generation, wie bestimmte Obstbäume, die nur jedes zweite Jahr Früchte tragen.
Zu den ersten Dingen, die man im Garten lernt, gehört das Wegschneiden, das In-die-Form-Bringen. Nicht nur das Gras, fast alle Pflanzen wachsen besser, wenn man sie zurückschneidet. Wenn man der Natur ihren Lauf lässt, erschöpft sie sich schnell, wie ein untrainierter Läufer, der ein Rennen zu ehrgeizig angeht. Der ungeschnittene Rasen zeigt sich nicht dankbar, sondern er protestiert mit Hilfe von Löchern und gelben Stellen. Nach zwei oder drei Jahren ohne Mähen hat er sich entweder in eine staubige Steppe oder eine für Menschen unbegehbare, halbhoch bewachsene Buschfläche verwandelt, der Fachbegriff heißt »Verbuschung«.
Der Garten ist »Natur«, denkt man zu Beginn. In Wirklichkeitist der Garten das Gegenteil von Natur, er ist Zivilisation. Jeder Gärtner wiederholt im Kleinen die Menschheitsgeschichte. Der Mensch macht die Natur zu seinem Diener, indem er Felder anlegt, er radiert sie aus, indem er Städte baut, er zähmt sogar seine eigene Natur, zum Beispiel indem er »Guten Appetit« wünscht und wartet, bis alle am Tisch zu essen beginnen, obwohl er hungrig ist und das Raubtier in ihm sofort anfangen möchte. Geht hin und macht euch die Erde untertan.
Die Natur will nämlich gar keinen Rasen. Auch Rosenstöcke will sie nicht. Die ungeschnittene Rose verkümmert,
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