Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
wird von anderen, weniger edlen, aber stärkeren Gewächsen überwuchert, stirbt. Wachsen und Schneiden: Diese beiden Prinzipien müssen sich in einer Balance befinden, keines von beiden darf als absolut gesetzt werden, sonst funktioniert es nicht. Beides ist notwendig, die Freiheit, die man einer Pflanze gewährt, und die Grenzen, die man ihr setzt. Gärtnern macht weise.
Als wir anfingen, hatten wir natürlich, wie so viele Anfänger, diese romantische Vorstellung vom verwilderten, sich selbst tragenden Naturgarten. Wir glaubten an die Natur, die es schon irgendwie regelt. Das ist die ironische Pointe eines jeden Gartens: Man verliert den naiven Naturglauben.
Tatsache ist, dass jeder Garten mindestens ein bisschen Arbeit erfordert, jeder, auch der vermeintlich sich selbst überlassene, anarchisch wuchernde wilde Naturgarten. Die Natur hat einfach einen anderen Geschmack als unsereins, sie stellt, sich selbst überlassen, einen langweiligen, fetten grünen Teppich her, einen Einheitsbrei ohne blühende Höhepunkte. Rohkost sozusagen.
Gärtnern ist wie Kochen. Um gut zu essen, muss man mitden Zutaten etwas tun. Um die Natur zu genießen, muss man mit der Natur etwas tun.
Wer einen Garten anlegt oder mit einem Garten lebt, bekommt ein neues Gespür für Jahre und Jahreszeiten. Es ist ein Lebensgefühl, das an die Kindheit erinnert, als man noch nicht cool sein musste. Über einen Garten kann man nicht ironisch reden. Dieses Wunder, wenn die seit dem vergangenen Jahr längst vergessenen Schneeglöckchen und Krokusse wiederkommen, dann die Tulpen, die Maiglöckchen, die Pfingstrosen, der Flieder, die Rosen. Im Februar sah der Garten irreparabel hässlich aus, aber im Juni steht er wieder fast genauso da wie im Juni zuvor. Die neu gesetzten Pflanzen wirken im ersten Jahr mickrig und moribund, im zweiten Jahr haben sie sich halbwegs eingewöhnt, erst im dritten Jahr entfalten sie sich.
Gärtnern heißt, Geduld zu lernen.
Während für die meisten von uns das Leben sich pausenlos zu beschleunigen scheint, vom Brief zur E-Mail, vom Spazierengehen zum Joggen, bleibt das Tempo des Gartens unverändert. Er belohnt nicht sofort für das Gute, das man ihm tut. Er hat nicht diesen leicht durchschaubaren Reiz-Reflex-Mechanismus wie das Geschäftsleben.
Der Garten verzeiht manchen Fehler, aber man versteht ihn und seine Geheimnisse nie ganz. Warum gedeiht diese Pflanze neben jener, aber in Nachbarschaft von Pflanze Nummer drei verkümmert sie und geht ein? Warum wachsen die Himbeersträucher an dieser Stelle gut und an jener überhaupt nicht? Je länger man sich mit dem Garten befasst, desto größer erscheint einem das Meer des Unwissens, in dessen Mitte man sich befindet, und bei jedem neuen Detail, das man lernt, erfährt man von drei offenen Fragen, die man bisher nicht einmalstellen konnte. Der Garten ist ein so unendliches Wissensgebiet wie das Schachspiel, jeder Zug, den man tut – hier pflanzen wir jetzt Lilien! Da kommen Clematis hin! –, öffnet den Weg zu Dutzenden möglichen Folgezügen, richtigen oder falschen. Gärtnern ist auch ein Spiel, ein sehr langsames.
Sonderbar klingt die Aussage: Gartenarbeit entspannt. Sie stimmt wahrscheinlich auch nur für diejenigen, die im Beruf hauptsächlich mit dem Kopf arbeiten, für die Mehrheit der angestellten Büromenschen. Im Garten tut der Körper etwas, der Geist aber bleibt frei und darf während der Arbeit herumfliegen. Beim Ausrupfen des Unkrauts und Pflücken des Obstes ist so wenig Konzentration erforderlich, dass sich währenddessen sehr gut nachdenken lässt, besser als im Café, wo einen immer irgendetwas ablenkt.
Voltaire verwendete den Begriff »Philosophischer Garten« für Gärten, die vor allem dazu da sind, dass ihre Besitzer in ihnen denken. Platon kaufte im Jahr 388 vor Christus einen Garten, den Hain des Akademos, um dort zu denken und unter den Olivenbäumen mit seinen Schülern zu diskutieren. Das Wort »Akademie« kommt von daher.
Im Büro gibt es gnadenlose Termine, im Garten kann fast alles sowohl heute als auch morgen oder übermorgen erledigt werden, wenn auch nicht in 14 Tagen, dann ist die Natur schon einen Schritt weiter. Gärtnern ist entspannter Sport.
Mir fällt auf, dass ich das Wort »Unkraut« verwende. Ein Wort, das politisch nicht mehr korrekt ist, korrekt heißt es »Wildkräuter«. Jedes Pflänzlein hat sein Lebensrecht, soll damit wohl ausgedrückt werden, keines ist schlechter als das andere. Ja, sicher. Trotzdem
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