Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
beharre ich darauf, dass im Garten keine Demokratie herrscht, sondern die Diktatur des Gärtners. Gärtner und Gärtnerin dürfen nicht einfach alles wachsenlassen, weil sonst kein Garten zustande käme, sondern ein Urwald. Es muss ausgerupft werden und gestutzt, das einzige Kriterium kann dabei nur der persönliche Geschmack sein. Gärtnern ist Machtausübung.
Ich behaupte, dass ein Garten einen die schlechten Tage leichter ertragen lässt und den Genuss der guten Tage vergrößert. Der Garten wirkt belebend oder beruhigend, je nach Bedürfnis. Diese Eigenschaft besitzt außer dem Garten nur noch der Tee.
Zum Garten gehören die warmen Abende, in denen man draußen sitzt und in den Nachthimmel schaut, zum Beispiel mit einem Glas Wein in der Hand. Zum Garten gehören die Freunde, die zu Besuch kommen und kurze Hosen tragen. Zum Garten gehören Leute, die über den Zaun schauen und mit denen man eines dieser typischen Zehn-Minuten-Zaungespräche führt, in denen es um nichts Besonderes geht. Zum Garten gehören die Nüsse, die man sammelt, und das Obst, das man erntet. Zum Garten gehört, dass man wochenlang anderen Menschen bis hart an den Rand der Peinlichkeit Marmelade aufdrängt, denn man hat davon immer zu viel.
Zum Garten gehört, dass man Nahrung, zum Beispiel Marmelade, oder Getränke, zum Beispiel Saft oder Likör, zum ersten Mal im Leben von allem Anfang an selber herstellt, aus einem Stück Obst, das man schon gekannt hat, als es noch eine Blüte war. Zum Garten gehören Eichhörnchen, also die Affen Deutschlands, Vögel und Maulwürfe und Mückenstiche, überhaupt: das wilde Tier. Nicht das Haustier, nicht das Zootier, nicht das Reh fern im Wald, sondern das Tier als freier, unabhängiger Nachbar, als Konkurrent im Kampf um die Nüsse oder als Blutsauger. Garten ist Zivilisation, und trotzdem ahnt man noch etwas von den brutalenGesetzen der Natur. Verteidige dein Obst. Kämpf um deine Nüsse. Töte die Moskitos. Alle. Und dann leg dich in den Liegestuhl.
Man bestreut die Schnecken mit reichlich Salz, das tötet sie schnell. Man kann sie an die Hühner verfüttern, Hühner mögen Schnecken. Man kann in die Beete halbvolle Plastikbecher mit Bier eingraben, da kriechen sie rein und ersaufen. Denn Gärtner können auch böse werden.
Bildung
Wer über Bildung redet, redet immer auch über sich selbst. Meine Eltern haben mich auf ein Gymnasium geschickt, sie hatten beide kein Abitur. In der Klasse waren wir zwei, drei Kinder, die nicht von Ärzten, Professoren, Pfarrern oder Apothekern abstammten, wir erkannten einander sofort.
Natürlich gab es eine soziale Selektion. Sie bestand aber nicht darin, dass dieses Gymnasium keine Arbeiterkinder aufgenommen hätte. Sie bestand darin, dass wenige Arbeitereltern es wagten, dort anzuklopfen. Für die Professoren war es selbstverständlich. Von den, glaube ich, 26 Schülern der fünften Klasse haben, glaube ich, 18 am Ende das Abitur gemacht. Wir Underdogs waren alle dabei, unter den Professorenkindern waren Verluste zu beklagen.
Das Gymnasium, das ich mir als Ideal vorstelle, ist offen für alle Begabten, es schaut auf die Intelligenz und nicht auf die Abstammung. Aber es fordert auch Leistung. Jeder soll eine Chance auf Bildung bekommen, sage ich heute, aber er muss sie auch nutzen. Eine Abiturientenquote von 60 Prozent eines Jahrgangs, die durch Absenkung des Niveaus erreicht wird, ist in Wirklichkeit nur ein fauler Trick, eine Manipulation der Statistik, davon hat weder der Arbeitsmarkt noch der Abiturient etwas.
In der fünften Klasse kam unser Sohn auf ein staatliches Gymnasium. Heute würde ich ihn auf eine Privatschule schicken,wie inzwischen fast zehn Prozent aller deutschen Eltern. Er soll die bestmögliche Bildung bekommen. Damit tue ich wohl das, was ein Vater oder eine Mutter tun sollten – ich versuche, ihm den Weg in ein erfülltes Leben zu öffnen. Ganz bestimmt würde ich ihn, wenn er heute wieder fünf Jahre alt wäre, nicht auf eine der neuen Gemeinschaftsschulen gehen lassen. Mein Sohn wäre mir zu kostbar für Experimente. Sein Wohl wäre mir wichtiger als das Wohl anderer Kinder.
Menschen sind eben so. Das hat nichts mit Herzlosigkeit oder fehlendem sozialem Gewissen zu tun. Ganz im Gegenteil. Der Tod eines nahen Verwandten schmerzt uns mehr als der Tod eines entfernten Bekannten, weil wir soziale Wesen sind. Wenn unsere Kinder uns egal sind, dann ist uns die Gesellschaft wahrscheinlich erst recht egal.
Alle Bildungsreformen, die von
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