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Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Titel: Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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dem verantwortungsbewussten Teil der Elternschaft erwarten, dass sie etwas anderes tun als das, was sie für das Beste ihrer Kinder halten, sind zum Scheitern verurteilt. Eltern, die ihre Elternschaft ernst nehmen, werden immer für eine möglichst gute Ausbildung ihrer Kinder kämpfen, gesellschaftliche Probleme und das Wohl anderer Kinder werden ihnen vergleichsweise, und völlig zu Recht, egal sein.
    »Möglichst gute Ausbildung« muss natürlich nicht immer Gymnasium bedeuten. Aber das Gymnasium hat seit 2500 Jahren bewiesen, dass es funktioniert, dass es gebildete und lebenstüchtige Menschen hervorbringt. Eine recht eindrucksvolle Bilanz. Statt das Gymnasium zu bekämpfen, sollten die Bildungsreformer dafür kämpfen, dass mehr Kinder aus »bildungsfernen« Familien (ein Politikerwort, um andere wertende Worte zu vermeiden) aufs Gymnasium gehen dürfen.Sie sollten es aber nicht mit ihren üblichen schmutzigen Tricks tun, etwa, indem sie die Gymnasien zwingen, alle Schüler aufzunehmen, kurz, indem sie das Gymnasium zerstören und ihm nur noch seinen Namen lassen.
    Fast alle Eltern wissen, dass in einer Schulklasse normalerweise nicht die Schwachen den Ton angeben, die Braven, die Streber mit den gemachten Hausaufgaben, sondern die scheinbar Starken und Lauten. Das sind die Rollenmodelle, jedenfalls bei den Jungs. Fast alle Lehrer wissen, dass zwei oder drei sogenannte schwierige Schüler das Lernklima einer ganzen Klasse ruinieren können. Es ist nicht so, dass die schwierigen Schüler (die nicht lernen wollen oder können, die laut sind, die gewalttätig sind, die ihre Lehrer offen verachten), dass diese schwierigen Schüler (die nichts dafür können, dass sie so sind) von den anderen lernen und ihr Verhalten den anderen anpassen würden. Eher ist das Gegenteil richtig.
    Auf dieser falschen Grundannahme – die schwierigen Schüler lernen von denen, die keine Schwierigkeiten machen – basiert zu großen Teilen die heutige Bildungspolitik. Fast alle Bildungspolitiker und die meisten Bildungsexperten sind genau dieser Ansicht, deshalb sollen Kinder möglichst lange gemeinsam unterrichtet werden. Das Lieblingsargument der Reformer ist die PISA-Studie, in der ein Land mit Gesamtschulen, Finnland, am besten abgeschnitten hat. Allerdings haben auch die Länder, die bei PISA am schlechtesten abschnitten, Gesamtschulen – Mexiko zum Beispiel. Mangelhaft ausgestattete, übergroße Gesamtschulen in einer sozial schwierigen Umgebung führen ins Desaster, siehe Mexiko, siehe die deutschen Gesamtschulexperimente der 70er Jahre.
    Die Theoretiker der Bildung glauben, dass sie es besser wissen als die Praktiker. Praktiker sind zum Beispiel Eltern, dietäglich mit echten Kindern zu tun haben. Praktiker sind auch viele Lehrer, die das sich seit Jahren erfolglos drehende Bildungsreformkarussell nur noch mit Sarkasmus ertragen. Statt die vorhandenen guten Schulen endlich zu stärken, mehr Schüler, mehr Lehrer, mehr Förderung, machen die Reformer den guten Schulen das Leben schwer und erfinden ständig etwas Neues.
    In unserem Staat, in dem Ideologien keinen guten Ruf haben, ist die Bildungspolitik eines der letzten Reservate der Ideologen. Deshalb findet gerade eine Massenflucht der sogenannten »bildungsnahen Milieus« aus dem staatlichen Bildungssystem statt.
    Die zweite falsche Grundannahme der heutigen Bildungspolitik lautet: Mit der Bildungspolitik lassen sich gesellschaftliche Probleme lösen. In Wirklichkeit sind die Schulen damit überfordert. Sie brechen unter dieser Last zusammen. Eine gute Schule, wie wir sie kennen, kann und soll in Wirklichkeit vor allem eines leisten – sie kann Schülern etwas beibringen. Vielleicht schafft sie es auch, Persönlichkeiten zu formen und eine Lust am Lernen zu vermitteln, die lebenslang anhält. Das war immer die Aufgabe der Schulen, und das ist schwierig genug. Wenn eine Schule die frühe Erziehungsarbeit nachholen soll, die in vielen Elternhäusern nicht mehr geleistet wird, wenn sie grundlegende Sprachkenntnisse, motorische Fähigkeiten und soziale Grundkompetenzen vermitteln und womöglich sogar Kriminalitätsprävention leisten soll, dann handelt es sich um eine Schule neuen Typs, die völlig anders ausgestattet sein muss als die Schulen, die wir kennen.
    Die Bildungspolitiker handeln wie Hausbesitzer, die sich eine grundlegende Sanierung nicht leisten können und deshalb ihr Haus alle paar Jahre neu anstreichen lassen.
    Von welchen »gesellschaftlichen Problemen«

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