Romanzo criminale
Donatella erkannte ihn nicht wieder. Im Bett verlangte er immer merkwürdigere Sachen von ihr und nach dem Sex war er unzufrieden und unruhig. Alle waren erleichtert, als Zio Carlo ihn nach Mailand schickte.
Mailand. Diesmal war alles ganz anders als beim ersten Mal. Es war unerträglich, nicht zuletzt, weil Donatella nicht dabei war. Und Maestro hatte ganz klare Anweisungen gegeben. Keine Kontakte, keine Treffen, vor allem nicht mit den alten Freunden. Gewisse Adressen und gewisse Treffpunkte waren tabu. Falsche Dokumente verwenden. Sich so kurz wie möglich an einem Ort aufhalten. Sofort Tedesco kontaktieren, der ihm Anweisungen für die operative Phase der Aktion geben sollte. Und vor allem: kein Koks und keine unüberlegten Handlungen. Sie hielten ihn wohl für einen Mönch! Warum hatten sie dann nicht Dandi geschickt? Aber die Anweisungen Zio Carlos wurden nicht diskutiert. Nembo Kid wollte ihn nicht unbedingt lächeln sehen. Also kein Koks. Am ersten Tag blieb er im Hotel. Wenn man abrupt den Stoff absetzt, verändert sich der Rhythmus der Realität. Die Zeit vergeht abwechselnd rasend schnell und dann wieder mit quälender Langsamkeit. Dein Kopf steckt in einem Eisenring und das Herz verlässt den Brustkorb und pumpt eigenständig in der Luft. Nembo Kid tröstete sich mit dem Gedanken, dass die Abstinenz nur vorübergehend war. Am zweiten Tag machte er einen Spaziergang im Zentrum. Mailand war aus den Fugen geraten, Nieselregen und Smog. Die Häuser neigten sich gefährlich, fast, als wollten sie ihn erdrücken; die Bäume, die spärlichen und mickrigen Mailänder Bäume, streckten ihre Krallen nach ihm aus. Jeder Blick war im Grunde eine Beleidigung. Am Abend im Hotel kam er zu der Überzeugung, dass er in diesem Zustand nicht viel ausrichten würde. Er rief Maestro an.
– Ohne Stoff schaffe ich es nicht.
– Hast du Tedesco angerufen?
Tedesco war klein und schwarzhaarig und verdankte seinen Spitznamen einer Tante, die mit den Nazis kollaboriert hatte und 1945 von den Partisanen kahlgeschoren worden war. Er gab ihm Anweisungen und zwei Fläschchen Valium. In einem war tatsächlich das Seditativ, im anderen Koks. Er zog gierig eine Straße und die Welt war wieder im Lot. Die Verabredung war für den nächsten Tag angesetzt. Am Nachmittag fiel Nembo Kid über ein Dessousgeschäft in der Galleria her. Er bezahlte mit einer regulären Kreditkarte und ließ sich die Einkaufstüten ins Hotel schicken. Zio Carlo hatte nicht gesagt: keine Weiber. Der Portier stellte den Kontakt mit einer Hostessenagentur her. Mailand war modern und hightech. Sie schickten ihm ein Mädchen mit Mandelaugen: eine knusprige Schnitte, wenn auch ein wenig zu dünn und mit kleinen Brüsten. Zuerst war sie ein wenig zurückhaltend. Aber die Geldscheine und das Koks ließen ihren Widerstand schmelzen, und Nembo Kid konnte sich ein paar Wünsche erfüllen, die er sich Donatella nicht einmal zu gestehen getraut hätte. Eindeutig befriedigt, schenkte er ihr schließlich ein Nachthemd aus Seide. Dann rief er Maestro an.
– Danke. Mir geht es viel besser. Es ist wegen morgen.
– Gib dir Mühe. Zio Carlo ist die Sache sehr wichtig.
Tedesco fuhr eine Suzuki, eine Rennmaschine. Nembo Kid bewunderte die Form des Boliden und die sorgfältig ausgeführte, stromlinienförmige Verkleidung des Motors. Eine große, schöne Maschine. Wenn alles erledigt war, würde er ihm ein Tauschgeschäft vorschlagen. Aber dafür hatte er noch genug Zeit. Tedesco hatte eine halbautomatische Browning und einen Revolver mit langem Lauf. Nembo Kid entschied sich für den Revolver. Sie setzten die Helme auf, zogen den Reißverschluss der Jacken zu und fuhren los. Das Ziel war eine kleine Piazza am Rande des Geschäftsviertels. Tedesco fuhr so langsam wie nur möglich. Er zeigte auf eine bescheidene, beinahe unscheinbare Tür, vor der ein mit Tressen geschmückter Portier stand.
– Der Bankier ist ein Gewohnheitstier. Jeden Morgen pünktlich um acht kommt er aus dieser Tür und steigt in seinen Dienstwagen. Der Chauffeur wird jeden Augenblick kommen. Er parkt immer hier gegenüber. Wir müssen ihn in dem Augenblick erwischen, in dem er über die Straße zum Auto geht. Es sind nur vierzig, fünfzig Schritte. Wir haben nicht sehr viel Zeit.
– Alles klar.
Ein gepanzerter Lancia Thema parkte pünktlich um fünf vor acht auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Eine Minute vor acht ging die Tür auf und der Portier nahm Haltung an. Tedesco gab Gas. Nembo Kid zog
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