Romanzo criminale
machen. Im richtigen Augenblick würde man eine Entscheidung treffen.
Einen guten Monat lang lief ein Haufen Rechtsanwälte in Lodenmantel, Nadelstreif und Lederköfferchen über die Gänge. Sie alle führten lange Gespräche mit Borgia, und sie verließen sein Zimmer mit stolzgeschwellter Brust und einem Lächeln auf dem Gesicht. Der Richter täuschte sich, wenn er meinte, sie würden sich in Widersprüche verwickeln: Unter ihnen waren keine Verräter. Abgesehen von Sorcio natürlich, aber das war eine andere Geschichte. Ihnen hingegen fiel es sehr schwer, Vastas Ratschlag zu beherzigen: sich klein zu machen, auf Sarkasmus zu verzichten, im schlimmsten Fall alles abzustreiten. Doch angesichts des Staatsanwalts, der immer finsterer und entschlossener wurde, konnten sie sich nicht beherrschen. Sie logen, dass sich die Balken bogen. Freddo rechtfertigte den Besitz von Haus und Autos mit der Erbschaft eines amerikanischen Onkels. Bufalo erklärte, er sei aus religiösen Gründen gegen die Einnahme von Drogen, darunter auch Tabak, und bestand darauf, dass seine Erklärung in den Bericht aufgenommen wurde, während er dem Staatsanwalt den Rauch der x-ten Marlboro ins Gesicht blies. Fierolocchio hatte bei sich zu Hause einen Revolver, dessen Matrikelnummer entfernt worden war, aber nur „weil so viele Verbrecher herumlaufen“, und Botola erklärte, die zweihundert Millionen, die sie bei ihm zu Hause gefunden hätten, stammten aus der Pension seiner Mutter, und so weiter und so fort. Als Bufalo mit verzücktem Ausdruck das Vaterunser zu beten begann, rastete Borgia aus. Vasta musste eingreifen, und um in Zukunft derartige Vorfälle zu vermeiden, machten von nun an alle von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch, und die Verhöre wurden immer seltener.
Je mehr Zeit verstrich, desto deutlicher nahm die Sache Gestalt an. Vasta verbarg seinen Optimismus nicht. Es kam der Augenblick, in dem man zum zweiten Akt übergehen musste. Aber um den Gegner schachmatt zu setzen, mussten ein paar Bauern geopfert werden.
Die Anwälte der kleinen Fische baten auf Empfehlung Vastas um eine Gegenüberstellung ihrer Mandanten mit Sorcio. Die Pferde und Ameisen beschuldigten den Überläufer. Jedes einzelne Gramm, das konfisziert, verkauft, geschnupft oder in die Vene gespritzt worden war, war durch Sorcios Hände gegangen. Er war der Motor. Sie gestanden Straßenverkauf ein und belasteten den Trumpf der Anklage. Eine Woche nach der letzten Gegenüberstellung bat Trentadenari, verhört zu werden. Er gestand, von Barbetta eine Lieferung
Brown sugar
gekauft zu haben, und beeilte sich zu behaupten, dass Sorcio sein Vertrauensmann beim Detailverkauf war. Er hatte alles im Alleingang gemacht. Er sei, fügte er freundlich wie immer hinzu, ein eigenständiger Geschäftsmann. Wenn es überhaupt eine Vereinigung gab, dann konnte sie ohne Sorcio nicht auskommen. Und er war überhaupt nicht sauer auf ihn, den armen Teufel, der ja ganz allein auf der Welt war und so fertig, dass er Fixer zu sich nach Hause kommen ließ und ihnen die Nadel direkt in die Vene stach. Sogar Minderjährige, Herr Richter. Was ihn anging, hatte er seine Lektion gelernt. Rauschgift ist etwas Widerliches, Rauschgift schadet. Pläne für die Zukunft? Die Strafe abbüßen und ein neues Leben beginnen. Überflüssig festzustellen, dass Barbetta ein umfassendes Geständnis ablegte, als er „mit den Vorwürfen konfrontiert wurde“. Ja, er hatte ein Kilo Stoff aus Thailand importiert. Ja, einen Teil davon hatte er Trentadenari weitergegeben. Aber mehr wusste er nicht. Dieser Sorcio? Nie gehört und nie gesehen, das schwöre ich bei allem, was mir auf dieser Welt heilig ist.
Mit dem Akt in der Hand klopfte Vasta an die Tür des Staatsanwaltes. Die Ermittlungen bezüglich des Dreiecks Trentadenari-Barbetta-Sorcio konnten als abgeschlossen betrachtet werden. Es handelte sich um einen einmaligen Versuch, Drogen zu verkaufen, wenn auch in großem Stil. Seine Forderung: die augenblickliche Einstellung des Untersuchungsverfahrens. Und Hausarrest für die Geständigen. Der Staatsanwalt rief Borgia zu sich.
– Vasta hat Recht. Mit dieser Geschichte können wir schon vor Gericht gehen. Was den Rest anbelangt, ist die Beweiskraft gering. Von den Morden weiß dein Kronzeuge nur vom Hörensagen. Die Angeklagten schweigen. Ich sehe schwarz.
Borgia zog sein ganzes dialektisches Rüstzeug hervor. Er ließ alle Verbrechen der letzten Jahre Revue passieren. Er betonte, wie hektisch man nach
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