Romanzo criminale
großer Park. In nicht einmal acht Monaten hatte er sie einem einstmals reichen jüdischen Pelzhändler abgenommen, der nicht mehr imstande gewesen war, einen Zinssatz von zweihundertfünfundsiebzig Prozent zu dreißig Tagen zu zahlen. Kaum hatte er sich eingerichtet, ließ er am Tor ein Schild anbringen: „Villa Candy“. Als Reminiszenz an jene Zeit, als er noch keinen Zugang zu den wichtigen Kreisen hatte und in Monteverde Waschmaschinen verkaufte. Cravattaro war eben ein wenig sentimental. Zwei Tage nach der Ermordung von Libanese lud er Dandi und Nembo Kid zu einem Fest in der Villa Candy ein.
– Von den wichtigen Leuten in Rom sind fast alle da, sagte er, als er sie begrüßte, und die, die nicht da sind, beißen sich in den Arsch.
Dandi und Nembo Kid waren nicht in Laune. Libaneses Tod war noch immer eine offene Wunde, die ganze Fröhlichkeit ging ihnen auf die Nerven.
Maestro war der Ehrengast inmitten all der Gäste, die sich aus Schauspielerinnen, Regierungsbeamten, Konsulenten, Pröbsten, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und sogar einigen Richtern zusammensetzten, alle in Begleitung der obligaten Huren. Er hatte gerade einen Sohn bekommen. Stolz schwenkte er ein Polaroidfoto der Mutter im Wochenbett. Das Baby hatte ein rotes, runzeliges Gesicht.
– Er heißt Danilo. Wie mein Vater. Wusstet ihr, dass mein Vater unten in Sizilien so arm war, dass er manchmal wochenlang Omelettes aus Kaktusfeigen fressen musste? Ganz im Ernst, ich schwöre es euch! Man nimmt die Schalen der Kaktusfeigen … ja, wirklich, von denen mit den Stacheln … und kocht sie, bis die Stacheln abfallen. Dann schneidet man sie in ganz feine Scheibchen, legt sie in Mehl und Ei … mit einem Wort, man paniert sie. Dann brät man sie. Und wenn sie durch sind, gibt man eine Sauce aus Öl, Essig, Zucker, Kapern und – falls vorhanden – Sardinen dazu. Aber mein Vater war so arm, dass er von Sardinen nur träumen konnte! Dandi … Nembo … meine Freunde! Kommt, kommt …
Zio Carlo kam kurz vor halb, in Begleitung dreier Jungs im dunklen Anzug. Cravattaro stellte ihnen höflicherweise sein Privatbüro zur Verfügung.
Dandi und Nembo Kid wurden in ein riesiges Zimmer mit Mahagonischreibtisch und alphabetisch geordneter Bibliothek geführt. Der Raum war vollgestopft mit Cäsarbüsten auf Sockeln, Perserteppichen, neapolitanischen Gemälden der Schule von Salvator Rosa, vergoldeten Bilderrahmen und alten Handschriften, die auf einfachen Pulten lagen. Dandi, der in ästhetischer Hinsicht große Fortschritte gemacht hatte, rümpfte die Nase. Auch wenn es sich um wertvolle Einzelstücke handelte, war der Raum viel zu vollgestopft. Cravattaro war doch nur ein geschmackloser Parvenü, ein Milliardär mit dem Geschmack eines Vorstadthehlers. Zio Carlo nahm Dandis Abneigung genauso wohlwollend zur Kenntnis wie seine schlichte Garderobe. Der Junge mauserte sich. Blieb nur zu hoffen, dass er nicht verweichlichte, wenn er sich so vornehm gab. Nembo Kid hingegen war als Prolet auf die Welt gekommen und würde als Prolet sterben. Zio Carlo umarmte Maestro und beglückwünschte ihn zum Nachwuchs.
– Mein Vater war Analphabet. Ich habe bis zur Dritten die Hauptschule besucht. Mein Sohn Danilo wird in Amerika studieren und ein bedeutender Mann werden!
Zio Carlo sprach sein Beileid zu Libaneses Tod aus. Cravattaro entkorkte eine Flasche Krug Grand Cru und alle tranken auf das Andenken des verstorbenen Freundes. Maestro sagte, man sei sehr zufrieden mit dem Geschäftsgang.
– Aber jetzt müssen wir uns um etwas anderes kümmern. Es besteht die Möglichkeit, auf Sardinien zu investieren. Sichere Gründe, höchst ertragreich. Ein komplexes Gefüge von Gesellschaften. Sie brauchen frisches Kapital zur Stützung. Zio Carlo glaubt, dass ihr euch an dem Geschäft beteiligen könntet. Am Anfang seid ihr ohne Deckung, aber im Laufe von sechs, sieben Monaten gibt es erhebliche Gewinne. Wirklich erhebliche!
– Wie viel?, fragte Dandi.
Maestro nannte eine Zahl. Dandi antwortete, das sei möglich. Maestro sagte, sie müssten einen Lokalaugenschein vornehmen. Schon am nächsten Tag könnte man auf die Insel fahren.
– Im Augenblick können wir Rom nicht verlassen, flüsterte Nembo Kid, wir müssen Libaneses Tod rächen.
Zio Carlo nickte.
– Rache ist ein edles Gefühl. Aber das ist eure Angelegenheit. Bei den Gründen handelt es sich um ein wichtiges Geschäft, das mir ein großes Anliegen ist. Es ist eure und unsere Angelegenheit. Versucht, die
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