Romeo für immer, Band 02
«
»Du liebst sie.«
»Ja«, sage ich und hoffe, sie erkennt, dass ich die Wahrheit sage.
»Die Amme meinte, du wirst ein Leben voller Glück und Liebe führen. Sie sagte, ich hätte ebenfalls glücklich werden können, aber … « Sie blinzelt, als versuche sie, sich auf ihre Gedanken zu konzentrieren. »Dadurch, dass sie dir die Möglichkeit gegeben hat, für die Botschafter zu kämpfen, hat sich alles verändert.«
»Es tut mir leid.«
»Das ist jetzt nicht mehr wichtig.« Sie starrt mit einem so todtraurigen Gesicht in die Flammen, dass es mir das Herz bricht. »Er ist weg.«
»Ich … « Ich beiße mir auf die Lippen. Zu sagen, dass es mir leidtut, würde ihrem Schmerz nicht gerecht. »Ich habe wirklich geglaubt, richtig zu handeln, aber ich … «
»Versprichst du mir etwas?« Julia sieht mich ruhig und entschlossen an. Zum ersten Mal ist ihr Blick klar.
»Alles, was du willst.«
»Versprich mir, dass du ein anständiges und ehrbares Leben führen wirst«, sagt sie. »Zeige, dass du ein guter Mensch bist, und beweise, dass sie sich geirrt hat.«
»Aber ich bin kein guter Mensch«, erwidere ich. Ich kann sie nicht belügen. »Und ich weiß nicht, ob ich es schaffe, einer zu werden. Aber ich werde nett und freundlich sein. Und ich werde alles tun, um die Welt ein wenig heller zu machen. Das schwöre ich dir.«
Sie schweigt. Dann nickt sie, scheinbar zufrieden mit meiner Antwort. »Dann geh jetzt. Such Ariel und verschwinde von hier, bevor den Männern wieder einfällt, dass sie den Befehl haben, dich in den Kerker zu werfen.«
Ich stehe auf und will gehen. Doch Julia hat noch etwas auf dem Herzen. »Ach, und Romeo?«
»Ja?« Es tut weh zu sehen, wie sie vor Schwäche zitternd auf die Beine kommt und sich kaum auf den Füßen halten kann. Ich wünschte, ich könnte ihr alles zurückgeben, was ich ihr geraubt habe.
»Ich vergebe dir.«
Ich keuche auf. Ihre Güte trifft mich mitten ins Herz.
»Aber komm nie mehr zurück. Auch nicht, wenn der Prinz dich begnadigen sollte«, fährt sie fort. »Ich möchte nie wieder in deine hinterhältige Visage sehen müssen.«
Ich lächle. Denn es stimmt ja, manchmal bin ich hinterhältig. Aber sie vergibt mir. Und Ariel wartet im Turm, sie liebt mich und …
»Romeo? Bist du närrisch? Was machst du hier?«, ruft eine vertraute Stimme von der Straße. Ich drehe mich um und sehe das Pferd meines Cousins Benvolio herantraben.
Im Sattel sitzt – in den Kleidern meines Cousins – Benjamin Luna und spricht perfektes Altitalienisch.
Ich bin tief erschüttert und doch nicht besonders überrascht. Wo sollte Benjamin Luna auch sonst stecken? Wenn das Mädchen, das er liebt, hier ist? Inzwischen glaube ich, dass nur eines im Leben von Belang ist. Zeit und Raum oder verschiedene, parallel nebeneinander existierende Realitäten sind so nebensächlich wie das bildlich gesprochene hauchfeine Spinnennetz, das Ariel und ich mit einer Handbewegung beiseitegewischt haben, um hierherzugelangen.
Ben schüttelt verwirrt den Kopf und reitet näher. »Wieso bist du … «
»Ben?«, murmelt Julia. Furcht, Hoffnung und ihre tiefen Gefühle für ihn schwingen in ihrer Stimme mit. »Ben!«
Doch Ben springt nicht etwa vom Pferd, sondern runzelt nur irritiert die Stirn. Offensichtlich versteht er nicht, wieso Julia so vertraut mit ihm spricht. Er scheint sich nicht zu erinnern. Er ist so ahnungslos wie Benvolio, den ich in der Zukunft getroffen habe, und wie Ariel, als sie hier aufgewacht ist. Er weiß nicht, wie sehr er Julia in der Zukunft geliebt hat.
»Julia?« Sogar ihr Name klingt ungewohnt und falsch aus seinem Mund. »Aber ich dachte, du … Du wurdest doch … Deine Eltern haben dich vor zwei Tagen zu Grabe getragen.«
»Ben? Aber du … Ich bin es doch.« Julia taumelt. Ich strecke die Arme aus, um sie aufzufangen, auch wenn ich befürchte, dass sie meine Hilfe ausschlagen wird. Doch sie hat nicht mehr die Kraft, mich wegzustoßen. Fassungslos lässt sie sich an meinem Arm zu Boden sinken.
Ben … Benvolio steigt vom Pferd und kniet sich neben uns auf die Erde. »Geht es ihr gut?«
»Natürlich nicht«, blaffe ich. Ich kann ihn jetzt genauso wenig leiden wie bei unserer Begegnung im einundzwanzigsten Jahrhundert. Glücklicherweise wurde ich verbannt, ich werde ihm also nicht tagtäglich über den Weg laufen und ihn »Cousin« nennen müssen. »Man hat sie lebendig begraben, was glaubst du wohl, wie es ihr geht?«
»Oh Gott, wie schrecklich.« Die Sanftheit, mit der er
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