Romeo für immer, Band 02
Arme, als seien sie meine letzte Hoffnung. Schluchzend flehe ich die Männer an: »Bitte, werft ihn nicht in den Kerker. Er ist der Vater meines Kindes.«
Nachspiel
Zwölf Jahre später …
Romeo
A ber da hast du gelogen, stimmt’s, Mama? Ich war überhaupt noch nicht in deinem Bauch.« Ungestüm lehnt Gemma sich auf ihrem kleinen Stuhl vor. Ihre runden Wangen leuchten rosig, und ihre Augen glänzen vor Aufregung, als Ariel zum Ende der oft erzählten Geschichte kommt.
Unsere Tochter hat meine Augen – dunkel und funkelnd vor Übermut blicken sie in die Welt – und die helle Haut und das silberblonde Haar ihrer Mutter. Sie ist einfach wunderschön. Ich kann mich nicht an ihr sattsehen. Nach ihrer Geburt stand ich oft stundenlang an ihrer Wiege, völlig erschlagen vom Wunder ihrer bloßen Existenz, vom Zauber dieses winzigen Wesens, das ich von nun an zu beschützen hatte. Für mich ist sie das vollkommenste und atemberaubendste Geschöpf der Welt.
Abgesehen von ihrer Mutter natürlich.
Ich fange Ariels Blick auf. Sie lächelt, als wisse sie, was ich denke. Wahrscheinlich ist das auch so.
»Ja, da habe ich gelogen«, bestätigt sie. »Aber ich musste lügen, sonst wäre Papa niemals lebend aus Verona herausgekommen.«
Gemma holt tief Atem. Sie sieht mich ernst an und nickt. Mit diesem Nicken gibt sie mir zu verstehen, dass sie mir verzeiht, dass ich nicht immer so war, wie sie ihren Vater heute kennt: ein guter Mensch. Wir haben ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt. Sie weiß nur, dass ihr Vater in seiner Jugend schlimme Dinge angestellt hat und dass wir aus diesem Grund nie wieder nach Verona zurückkehren dürfen. Irgendetwas mussten wir ihr ja erzählen. Sie hatte begonnen, Fragen zu stellen: Warum Oma und Opa DeSare immer zu uns nach Mantua kommen und wir sie niemals in Verona besuchen, obwohl Oma und Opa Pferde und Enten haben und ein Bild von ihrer Mama, als sie noch ein kleines Mädchen war.
Gemma ist erst sieben und hat eine blühende Fantasie. Wissbegierig saugt sie alles auf, was ihre Mutter ihr erzählt. Sie liebt Geschichten über Feen, Drachen und Kobolde, die unter der Brücke am Ende des Weges wohnen. Aber besonders liebt sie es, wenn Ariel von uns beiden, unserem Leben in der Zukunft und von unserer Reise durch Zeit und Raum erzählt. Ariel lässt die grausamen Abschnitte weg, aber ihre Erzählung ist immer noch spannend genug, um die Lieblingsgeschichte unserer Tochter zu sein. Besonders der Teil, der jetzt folgt.
»Und dann, Mama, was ist dann passiert?«
»Dann habe ich Papa fest umarmt und wollte ihn nicht mehr loslassen. Ich habe den Männern gesagt, dass Bruder Lorenzo uns vermählen wollte, aber als wir zur Kirche kamen, hat er verrückgespielt und versucht, deinen Vater umzubringen«, erzählt Ariel. Sie und ich haben uns auf diese Version der Geschichte geeinigt, bis Gemma alt genug ist, die Wahrheit über Botschafter und Söldner zu erfahren. »Es hat eine Weile gedauert, bis sie mir geglaubt haben. Aber dann endlich hat der Befehlshaber der Wache jemanden zu Opa geschickt. Der kam sofort und hat uns abgeholt.«
»Zwei Stunden später wurden deine Mutter und ich von einem Geistlichen aus der Nachbarstadt vermählt.« Ich hebe Gemma auf meinen Schoß und umarme sie. »Noch vor Sonnenaufgang.«
»Wir haben einen von Opas Wagen mit Möbeln beladen, die er mir als Mitgift geschenkt hat, und uns gleich nach dem Frühstück auf den Weg gemacht«, fährt Ariel fort. »Wir wollten bei meiner Tante und meinem Onkel wohnen, bis wir eine eigene Unterkunft gefunden hatten.«
»Auch wenn deine Großtante Mary über die Umstände unserer Heirat nicht besonders erfreut war«, füge ich hinzu.
Gemma rümpft die Nase und kneift die Augen zusammen. Sie ahmt das runzlige Backpflaumengesicht ihrer Großtante Mary so perfekt nach, dass ich mir große Mühe geben muss, nicht laut aufzulachen. Ich will sie zu solche einem Verhalten keineswegs ermutigen.
Jedenfalls nicht allzu oft.
»Stimmt.« Ariel grinst. Zweifellos ist ihr Gemmas Mimik nicht entgangen. »Wir machten uns zwar Sorgen, wie sie uns empfangen würden, aber gleichzeitig waren wir auch überglücklich, dass wir endlich zusammen sein konnten. Wir dachten, das Schlimmste läge hinter uns.« Ariel setzt sich neben uns auf die weiche, mit Wolle ausgepolsterte Liegestatt, die wir in dem Atelier hinter unserem Haus aufgestellt haben und als Couch nutzen. Ein gewisser Sinn für die Behaglichkeit der Moderne ist uns erhalten geblieben.
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