Romeo für immer, Band 02
wohnen in einem alten Herrenhaus inmitten eines kleinen Weinbergs. Angeblich haben sie sogar eine eigene, private Basketballhalle auf ihrem Grundstück.
Ich war nie dort, aber Gemma schon. Früher, als Kind, musste sie ihre Eltern immer zu den Barbecues in der Nachbarschaft begleiten. Sie hat mir von der Basketballhalle und von Jasons Loft erzählt. Er hat ein riesiges Zimmer unterm Dach, so groß wie unser ganzes Haus.
Gemma. Seltsam, ich habe heute kein einziges Mal an sie gedacht. Seit ihrem Verschwinden vorletzte Woche grüble ich dauernd darüber nach, was meiner besten Freundin Schreckliches zugestoßen sein mag. Aber heute war ich so abgelenkt, dass sie mir jetzt zum ersten Mal wieder in den Sinn kommt. Umso erschütterter bin ich, als ich mich Romeo und dem Mädchen nähere. Sie hat schulterlanges, glänzendes schokoladenbraunes Haar und trägt einen knallroten Lippenstift. Ihre Baseballkappe hat sie so tief runtergezogen, dass ihr Gesicht nicht zu sehen ist. Aber ich erkenne sie sofort.
Es ist Gemma! Hier in Solvang! Sie lebt!
Vor lauter Aufregung lasse das Kleid fallen und renne auf sie zu. »Gemma!«
Sie dreht sich verärgert um. Als sie mich erkennt, verändert sich ihr Gesichtsausdruck. Jetzt sieht sie erschrocken aus und nicht gerade erfreut. Mein Auftauchen scheint keine besonders angenehme Überraschung für sie zu sein. Ich bin peinlich berührt, kann aber jetzt nicht mehr zurück. Sie steht ja direkt vor mir.
Unsere Umarmung fällt ziemlich kurz aus. Ich komme mir blöde dabei vor. Gemma ist so steif und angespannt. Ich merke, dass sie mich am liebsten wegstoßen würde, und lasse sie los, trete einen Schritt zurück und versuche, die peinliche Situation mit einem Lächeln zu überbrücken. »Ich bin so froh, dich zu sehen!«
»Ich freue mich auch. Ich … du hast mich erschreckt.« Sie zieht die Kappe noch tiefer ins Gesicht und schaut sich nervös im leeren Laden um. Dann verschränkt sie die Arme vor der Brust. »Was machst du denn hier?«
»Ich bin mit Rom … Dylan hergekommen.«
»Ihr beide seid zusammen hier?« Sie verzieht ungläubig das Gesicht und wirft Dylan einen skeptischen Blick zu. Ich sehe Romeo an, doch der schaut nur angestrengt zu Boden. Wahrscheinlich möchte er es mir überlassen, Gemma die Sache zu erklären. Das leuchtet mir ein, immerhin ist sie meine beste Freundin.
»Wir wollen uns hier für den Schulball einkleiden.«
»Soll das ein Witz sein?« Sie lacht schockiert.
»Nein«, antworte ich. Plötzlich bin ich wütend. Warum fragt sie mich aus? Sollte es nicht eigentlich umgekehrt sein? Wieso versucht sie, mich lächerlich zu machen? Vor allem würde mich aber interessieren, wieso sie so tut, als sei alles in bester Ordnung. Als sei dieses zufällige Zusammentreffen nichts Besonderes. Als würde nicht schon seit über einer Woche überall fieberhaft nach ihr gesucht!
»Das ist doch jetzt egal. Wo warst du die ganze Zeit?« Ich mache aus meiner Verärgerung keinen Hehl. »Wir haben uns schreckliche Sorgen um dich gemacht. Ich bin vor Angst fast verrückt geworden.«
Sie schürzt erstaunt die Lippen und sieht mich aus großen Augen an, so als wäre ich diejenige, die sich seltsam verhält. »Es ist doch nicht mal zwei Wochen her, dass wir uns gesehen haben. Tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe, aber ich … «
»Keiner wusste, ob du überhaupt noch am Leben bist!« Jetzt verschränke ich ebenfalls die Arme vor der Brust. Ich muss mich irgendwie vor dieser Unterhaltung schützen.
»Deine Eltern haben überall in der Stadt Suchzettel aufgehängt. Sie denken, du wärst entführt worden oder tot und … «
»Meine Eltern labern nur Scheiße«, antwortet sie. Wie immer ist sie wütend, wenn sie von ihren Eltern spricht. »Sie wissen, dass es mir gut geht, und die Polizei weiß auch Bescheid. Hast du dich denn nicht gefragt, warum meine Entführung mit keinem Wort in den Nachrichten erwähnt wird?«
»Ich … Nein. Habe ich nicht.« Ich schlucke. Langsam kommt mir die Galle hoch. »Deine Eltern wissen, dass es dir gut geht?«
»Ja!«
»Aber was soll denn … «
»Sie hoffen wohl, dass mich irgendwann jemand sieht und sie informiert«, sagt sie und schaut sich erneut nervös im Laden um. »Deshalb halte ich mich möglichst von der Stadt fern. Solange ich meinen Schulabschluss nicht in der Tasche habe, können meine Eltern mich zwingen zurückzukommen. Vorausgesetzt, sie finden mich. Aber sie wissen, dass ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben will. Als
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