Romeo für immer, Band 02
hat sie nicht gesagt, dass sie mich liebt. Ich muss sie aber unbedingt dazu bringen, mich zu lieben, egal wie. Deshalb kann ich es mir eigentlich nicht leisten, sie abzuweisen. Aber ich kann es nicht lassen.
»Stell dir vor, die alte Frau da vorne an der Kasse wäre ein Mann. Ein alter Mann, der muffig riecht. Mit faltiger Haut, einer dicken roten Nase und riesigen Ohren, aus denen ihm Haare wachsen. Wie fändest du das?«
»Ich fände es ziemlich eklig.«
»Ganz genau. Wenn du das jetzt mit zehn multiplizierst, dann bekommst du eine ungefähre Vorstellung davon, wie unappetitlich ich … «
Sie bringt mich mit einem Kuss zum Schweigen, schaut mich lächelnd an und küsst mich gleich noch mal. Als sie aufhört, lächle ich. Ich kann nicht anders. Sie … Was macht dieses Mädchen mit mir? Sie ist unglaublich.
»Du bist so romantisch«, lächelt sie.
»Ich will aber nicht romantisch sein«, antworte ich finster.
»Was wiederum sehr romantisch ist. Auf eine ganz eigene Art«, stellt sie fest. »Aber völlig zwecklos. Ich will, was ich will, und du wirst mich nicht davon abbringen.« Schon hat sie den Arm um mich gelegt und küsst mich erneut. Es ist ein langer, intensiver Kuss, der mich erschauern und vor Sehnsucht fast vergehen lässt. Mein Verlangen bringt jede Vernunft zum Schweigen.
Seufzend gebe ich meinen Widerstand auf. Ich fahre mit den Fingern durch ihre Haare und ziehe sie an mich. Ich bekomme nie genug von ihr. Sie raubt mir die Sinne, doch ohne sie zu betäuben. Im Gegenteil, mit ihr habe ich das Gefühl zu schweben. Sie ist wie die Frühlingsluft, wie die Sonne auf meiner Haut, sie ist … einfach göttlich.
Nicht wie ein göttliches Wesen, eher wie die Vorstellung, die ich mir als Kind davon gemacht habe, bevor mein Vater das Vertrauen und die Tatkraft meiner Mutter gebrochen hat. Damals hat meine Mutter mir von einem gnädigen Gott erzählt, der meinen Bruder und mich lieben würde, was immer auch geschähe. Das ließ mich an etwas Göttliches und Großes glauben, an etwas, was über jeden Kummer und alles Böse im Leben erhaben ist. Die Vorstellung, mit einer so großen allumfassenden Liebe beschenkt zu werden, war berauschend.
Den anderen mit diesem Gefühl zu beschenken kann auch berauschend sein .
Könnte ich das denn? Könnte ich Ariel lieben ? Löst sie vielleicht deshalb solche Gefühle in mir aus?
Lügner! Du bist ein so begnadeter Lügner, dass du dich selbst belügst.
Ich zucke zusammen, und der Rhythmus unseres Kusses gerät aus dem Takt. Richtig! Ich liebe sie nicht. Ich wüsste ja noch nicht einmal ihren Namen, wenn sie nicht diejenige wäre, die mich vor einem Schicksal bewahren kann, das schlimmer ist als der Tod. Das ist keine Liebe, sondern Dankbarkeit.
Und natürlich Verlangen. Meine ungestillte Lust weckt in mir den Wunsch, dieses Mädchen für mich ganz allein zu haben. Ich halte das für Liebe, doch das ist es nicht. Julia mag ein zweites Mal einen Seelenverwandten gefunden haben, aber obwohl ich meine eigene Aura nicht sehen kann, weiß ich, dass sie nicht rosa oder gar rot leuchtet wie die eines wahren Liebenden. Ich bin dazu verdammt, in einem Schwebezustand zu verharren, und gehöre weder zur Dunkelheit noch zum Licht. Meine Seele ist viel zu verdorben, um unschuldig, aufrichtig und treu sein zu können.
Und dennoch … ich brauche Ariel. Das Verlangen nach ihr ist so groß, dass es mich schwindlig macht. Ich weiß selbst nicht, wieso. Ich weiß überhaupt nichts mehr. Ich bin verwirrt und verrenne mich im Labyrinth meiner Gedanken.
Kopfschüttelnd und schwer atmend weiche ich zurück. »Ich weiß nicht mehr, was richtig ist«, stammle ich. »Mit dir fühle ich mich so … «
»Jung? Wie achtzehn?«
Ich betrachte ihr Gesicht. Jedes Mal, wenn ich zu wissen glaube, wer Ariel ist, überrascht sie mich. Dann verwischt sich das Bild, das ich mir von ihr gemacht habe, und zeigt ein neues, das noch vielschichtiger und faszinierender ist. »Wahrscheinlich. Ich war nie achtzehn, aber … «
»Mit dir habe ich endlich das Gefühl, normal zu sein.« Sie birgt ihren Kopf an meiner Brust, und ich umarme sie. Es geschieht wie von selbst. »So habe ich mich noch nie gefühlt. Vielleicht werde ich mich ja auch nie wieder so fühlen. Aber mit dir bin ich eben einfach normal, und alles ist so … perfekt. Bitte komm mit mir, ja?«
Ich weiß nicht, was ich mir davon verspreche, aber es ist auch egal. Ich will nicht darüber nachdenken. Ich möchte sie spüren. Genau wie sie
Weitere Kostenlose Bücher