Romy Schneider - die Biographie
Schneider zu schüchtern, um ihn anzusprechen.
Es sei nur eine kleine Rolle gewesen, wird sie Hans-Jürgen Syberberg ein paar Jahre später für dessen TV-Porträt aufgekratzt in die Kamera erzählen, aber eine, die man sich gemerkt habe. Die so manchen beeindruckt hätte. Im Brustton der Überzeugung folgt der Satz: »Und ich weiß, ich war gut!« Sie würde sich wünschen, es gäbe Aufzeichnungen von jenen Vorgesprächen und Proben, die ihr so viel bedeuten.
Trotz des bei Visconti gewonnenen Selbstvertrauens hat sie Angst vor der Zusammenarbeit mit dem Schwierigen. Immer wieder stellt sie Fragen, wie sie die Rolle anlegen solle, ständig möchte sie eine Probe mehr, die jedes Mal von Welles’ sonorem »Halt den Mund! Mach es, mach es einfach! Los!« barsch abgelehnt wird. Er sei es, der hier unterbrechen dürfe, macht er klar, sonst niemand. Sie möchte die Muster sehen. Nach mehreren Bitten sagt der Amerikaner ihr eine Vorführung zu. Es ist ein bizarres Erlebnis, die schmucklose Schwarzweiß-Fotografie von Kameramann Edmond Richard entspricht nicht ihren durch konventionelle Filmproduktionen geschulten Sehgewohnheiten. »Und ich habe sie gesehen und ich habe mich nicht erkannt, ich schwör’s ihnen! So wahr ich hier sitze. Ich habe gesagt: Wer? Das ist doch nicht wahr!« 270 Sie ist es gewohnt, Vorführungen beizuwohnen, konnte nicht schlafen,wenn sie die Ergebnisse nicht kannte. Zufrieden war sie dabei selten. Mit der Person auf der Leinwand kann sie sich nun nicht identifizieren, sie findet sie abstoßend. Welles betont lakonisch, dies wäre die versprochene eine Vorführung gewesen, eine weitere würde es nicht geben.
Rückblickend ist Romy stolz auf die Arbeit, sie zählt sie zu den wichtigsten Erfahrungen ihres Lebens. Wie lange die Dreharbeiten gedauert haben, weiß sie nicht mehr. Eine Woche, vielleicht auch zehn Tage, nicht mehr. Zu Beginn ist es die Rolle der Hilda, die Welles ihr anbietet. Als sie nach der Tournee mit der
Möwe
das Drehbuch liest, interessiert sie aber die Rolle der Leni mehr. Sie liest den Brief von Welles, man telegrafiert, telefoniert, und sie erfährt, dass Elsa Martinelli bereits für den Part der Leni engagiert ist. Doch der Regisseur disponiert um. Orson Welles tituliert sie schon bei den Leseproben als »Leni«. Fast alle weiteren Rollen sind besetzt, nur die des Staatsanwalts ist noch offen. Charles Laughton, Kortner und Pierre Fresnay stehen für die Besetzung des Advokaten zur Diskussion. Laughton ist jedoch schwer krank und stirbt im Dezember 1962, Fresnay und Kortner können oder wollen die Rolle nicht übernehmen. Romy Schneider erzählt später stolz, sie sei es gewesen, die Welles dazu gebracht habe, den Part des Advokaten Hastler selbst zu übernehmen. Zu ihrer Überraschung reagiert er zumeist barsch, wenn er auf seine früheren Erfolge als Schauspieler und dabei vor allem auf
Citizen Kane
angesprochen wird. Neue Rollen will er nicht unbedingt übernehmen. »Wir haben drei Mal dieselbe Szene gelesen. Das war eine Woche bevor ich überhaupt zu drehen anfing. Und dann hab ich ihn immer unterbrochen, und er hat gesagt: ›Mach weiter!‹ Und ich habe gesagt: ›Sie müssen ihn spielen. Es gibt nur einen Hastler. Sie müssen ihn spielen.‹ – Und ich hab’s gekriegt! Nach der dritten Leseprobe. Er hat’s gespielt. Ich hab einen Dollar dafür bekommen.« 271 Die Produzenten waren hingegen von der Idee weniger begeistert, den schwer Berechenbaren nun in zwei Funktionen bei der Produktion unterstützen zu müssen.
Der Prozeß
wird von Schneider stets als einer ihrer wichtigsten Filme bezeichnet. Es ist eines der letzten ambitionierten Projekte von Welles, dem wie fast allen anderen der finanzielle Erfolg versagt bleibt. Erst für folgende Generationen wird er zum Kultfilm. Welles dreht – wie gewohnt – an verschiedensten realen Schauplätzen, darunter auch im ehemaligen Pariser Bahnhof Orsay. 1970 steht dessen Abbruch bevor, 1978 wird er unter Denkmalschutz gestellt, später darin das weltberühmte Musée d’Orsay beheimatet. Als Welles dort dreht, fasziniert ihn der seltsam ruinöse Zwischenstatus des Gebäudes.
Jean Cocteau hat Orson Welles als einen Riesen mit einem Kindergesicht und weisen Verrückten beschrieben, der mit halb geschlossenen Augen seine eigene Kraft bewache. Einen Satz des Regisseurs hat Romy Schneider später variiert: »Wenn man entschlossen ist, immer das zu machen, was man machen will, muß man eben den Preis dafür zahlen.« 272 Sie
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