Romy Schneider - die Biographie
allem, was sie bisher gedreht hat. Ein Graf ist in einen Callgirl-Skandal verwickelt und versucht, nicht zuletzt weil er Geld braucht, seine Frau zurückzugewinnen. Diese, eine von Schneider gespielte deutschstämmige Gräfin, ist bereit, ihm zu verzeihen, doch sie erlegt ihm eine Buße auf: Künftig muss er auch sie für jede Liebesnacht bezahlen. Visconti dekoriert das Atelier luxuriös mit Antiquitäten aus seinem Besitz, borgt sich anderes aus Mailand undNeapel aus, darunter zwei Büsten von Sarah Bernhardt aus dem Besitz Sophia Lorens. »In diesen Rahmen stellte er mich. In kostbaren Kleidern und auch ohne. Und sah und fotografierte mich so, wie mich noch kein anderer Regisseur vorher gesehen und fotografiert hatte.« 258 Mit den Aufnahmen von Romys nacktem Rücken, auf dem Wasserperlen leuchten, und ihrem Blick aus dem der Kamera halb zugewandten Gesicht heraus, beginnt durch Viscontis Kameramann Giuseppe Rotunno eine neue Ikonisierung ihrer Person, die nichts mit Romys früheren Figuren zu tun hat. Amerikanische Zeitungen zählen ihre Entkleidungsszene zu den gewagtesten cineastischen Stripteases. Während die Linke mit dem schweren, altmodischen Telefonhörer hantiert, entfernt die rechte Hand mit schnellen Bewegungen Haarband, Ohrklipse, schließlich Rock und Bluse. Dabei spricht die Frau ununterbrochen mit dem Anwalt, als befinde sie sich lediglich in einer geschäftlichen Konferenz. Nur in Nino Rotas Soundtrack unterbrechen spöttische Bläserstellen das anschmiegsame Streicherthema. In einer Atempause erhält das Dienstmädchen das Telefon und die Anweisung, ein Bad einzulassen. Ist die Kamera bisher dem ganzen Körper gefolgt, ruht der Focus nun über dem Dekolleté, während die Träger des Unterrocks fast beiläufig von den Schultern gleiten. Romy blickt in den Spiegel. Sie zupft sich das Haar in Unordnung, nestelt am Chanel-Perlencollier, das sie als einziges Kleidungsstück anbehält. Ein zufriedenes, kokettes Lächeln schließt den prüfenden Blick ab. Sie dreht sich, geht zur Wanne, worauf die Kamera den Blick bis auf die Taille freigibt. Während Romy den Hörer wieder aufnimmt, wechselt der Zuschauer den Blickwinkel. Mit dem außerhalb des Bades stehenden Ehemann sieht er nun den etwas unscharf im Bildhintergrund sitzenden Körper, wird mit dem Gatten zum Voyeur. Dann dreht sich der Körper, Romys Arme verdecken gerade so viel, dass der Betrachter, wenn er dies registriert, sich als indiskret empfinden muss. Die Szene beendet ein Close-up von Romys Gesicht, das immer ernsterund offener wird, je mehr sie dem Anwalt ihre Situation schildert. Die Spannung der Entkleidungsszene hat die Aufmerksamkeit des Publikums gebannt und wird von Schneider in beeindruckender Weise gelöst: Wie im Film
Nachtblende
, dreizehn Jahre später, drückt sie wahre Nacktheit mit ihrem Gesicht aus. »Die Welt« ringt sich immerhin ein bemühtes homerisches Zitat ab: »Daß sie etwas mehr kann als ein rosenfingriges Nichts – das erkennt man.« 259
Bei den Dreharbeiten kommt es zu Spannungen mit ihrem Regisseur, am Ende versöhnen sich die Beteiligten wieder. Romy notiert alles, was für sie wichtig ist, in einem Merkheft. Visconti schenkt Romy Schneider einen blauen Ring aus Holz mit drei eingefassten Edelsteinen, zwei Brillanten und einem Saphir, ein Erbstück von seiner Mutter. Sie wird den Reif ständig tragen, ihn regelmäßig von einem Juwelier überprüfen lassen, um das poröse Material so unverbrüchlich zu machen wie ihre Wertschätzung für seinen einstigen Träger.
Die Kostüme des Films entwirft Coco Chanel, von der Schneider als »kleiner gesunder Pummel« 260 apostrophiert wird. Schon der deutsche Modedesigner Heinz Oestergaard, der neben Schneider auch Zarah Leander und Maria Schell einkleidete, war der Ansicht, wenn die Kundin den Stylisten persönlich kenne, falle das textile Resultat besser aus. Romy ist beeindruckt von der kleinen, eleganten Gestalt Coco Chanels, dem unverwechselbaren Habitus, akzeptiert ihre Forderung nach Diät und Disziplin, die sie schon aus ihren Zeiten beim deutschen Film her kennt. Es gibt für Chanel keine »Mode«, lernt sie, es gibt nur guten und schlechten Geschmack. Drei Menschen, wird Schneider später sagen, haben ihr Leben in jenen wichtigen Jahren entscheidend geprägt: Delon, Visconti und Coco Chanel. Sie wird Kundin und schließlich Freundin der extrovertierten »Mademoiselle«, verbringt Nachmittage in ihrer Wohnung, lässt sich deren abenteuerliches Leben
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