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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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und winkte dem Publikum mit seiner einen Hand zu. Der Armstumpf war geschickt unter der Rüstung verborgen, und beiderseits ritten Männer neben ihm her, um notfalls sein Gleichgewicht zu sichern.
    Die Stute des Jungen wieherte leise auf, als sie spürte, wie sich ihr Reiter anspannte.
    Die Nakata verharrten in der Mitte des Spielfelds, offenbar in der Erwartung, dass man ihnen den Ball zuwerfen würde. Bennosuke ließ ihre Banner nicht aus dem Blick, die die auffälligsten waren und alle anderen überragten. Der Trommelwirbel erreichte einen Höhepunkt und verstummte, und dann herrschte Stille, bis ein Mann neben dem Gong erschien. Er stieß einen langen, wortlosen Schrei aus, und die schiere Kraft seiner Stimme war beeindruckend. Sie trug ebenso gut wie die Trommeln über das ganze Gelände hinweg, und der Mann hielt den Ton, bis alle ihn ansahen.
    «Heil unserem verehrten Regenten Hideyoshi Toyotomi!», rief er, sobald er die allgemeine Aufmerksamkeit besaß, und reckte theatralisch eine Faust in die Luft.
    «Zehntausend Jahre!», schmetterten die berittenen Samurai zurück, ihre Stimmen ein vereintes Gebrüll.
    «Heil seiner Majestät, dem Himmlischen Herrscher, unserem Kaiser!», rief der Mann.
    «Zehntausend Jahre!», brüllten die Samurai erneut.
    «Und Heil unserem gütigen und edlen Fürsten Nakata!», brüllte der Mann schließlich und legte so viel Kraft hinein, dass sich seine Stimme überschlug.
    «Zehntausend Jahre!», erscholl diesmal deutlich schwächer die Antwort. Das war eine glanzvolle Reihe, an deren Spitze sich Nakata da setzte, und die Samurai waren hin- und hergerissen zwischen der Höflichkeit ihrem Gastgeber gegenüber und dem Sakrileg, an das dies grenzte.
    Der Ausrufer begann nun, die Spielregeln zu erklären, in einer Ausdrucksweise, die selbst in normaler Lautstärke umständlich und schwerfällig gewirkt hätte. Da er jedoch schrie, brauchte er einige Zeit, um ihnen mitzuteilen, dass sie den Ball durch das unter ihm befindliche Tor hinausbefördern sollten. Während er vor sich hin brüllte, ging Bennosuke auf, dass ihn Hayatos Männer, da sie unbewaffnet waren, nicht sofort niederstrecken würden. Sie würden ihn vielmehr vom Pferd zerren und ihm Fesseln anlegen, und dann tauchten in seiner Phantasie Bilder einer langwierigen Folter ganz nach dem Gutdünken des Clans auf. Er erinnerte sich an das Grauen, das er unter dem Strohhelm durchlebt hatte. So etwas wollte er nicht noch einmal durchmachen. Er würde sich, nachdem er Hayato getötet hatte, selbst mit dem Dolch die Gurgel aufschlitzen müssen.
    Das wäre zwar kein Seppuku, aber doch gut genug. Nachdem er diese Entscheidung getroffen hatte und nun wieder Herr seines eigenen Schicksals war, fand er an dem, was bevorstand, mit einem Mal Gefallen. Das Gefühl, gleichzeitig todgeweiht und höchst lebendig zu sein, das schon so lange in ihm schwelte, loderte nun auf, und er fasste die in der Ferne flatternden Banner der Nakata fest in den Blick.
    Ein Hüne mit freiem Oberkörper stieg nun zu dem Ausrufer hinauf. Um seinen Bauch war ein zeremonielles Seil geschlungen, mit aus Papier gefalteten Blitzen daran. In einer Pranke hielt er eine Schleuder, in der anderen den Ball. Der war aus poliertem dunklem Holz, groß wie ein Menschenkopf, mit roten Girlanden umwunden und schlagartig Gegenstand des allgemeinen Interesses. Der Ausrufer sank auf die Knie und sah zu, wie der Hüne den Ball in die Schleuder legte und ihn dann vor seinen Schienbeinen baumeln ließ.
    Der Hüne wartete noch einen Moment, bis sich erwartungsvolle Stille über die Arena gelegt hatte, und ließ den Ball dann mit einer Bewegung aus dem Handgelenk heraus ganz leicht rotieren. Auf diese Geste hin gaben die Samurai ihren Pferden die Sporen und trabten los in die Richtung, in die sich der Ball bewegte, durchs Rund der Arena. Ganz langsam schwang der hünenhafte Werfer die Schleuder schneller und weiter und sah zu, wie die Reiter ihre Pferde zu höherem Tempo anspornten.
    «Folgt mir!», sagte Kumagai, ohne sich zu seinen Männern umzusehen. «Wir bleiben am Rand, bis ich etwas anderes befehle.»
    Als der Hüne die Schleuder mit einer Hand nicht mehr weiterschwingen konnte, wechselte er sie von einer Hand in die andere und schwang sie rings um sich her. Ein Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht, als die Pferde drunten in langsamen Galopp verfielen. Der Hufschlag übertönte nun alles andere, und für Bennosuke löste sich die Welt, als nun die Banner durcheinanderhuschten

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