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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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Krieg.
Wann hatte es angefangen, dass man ihn so nannte und ihn damit von den Kriegen unterschied, die in Japan seit Jahrhunderten ausgefochten wurden, wie jener, den Shinmen und Munisai im Frühjahr gegen Kanno geführt hatten?
Der Krieg
, den sie alle heraufziehen sahen. Ein Kampf um alles oder nichts, ausgelöst durch das Machtvakuum, das Toyotomis Tod hinterlassen würde.
    «Kann ja nicht mehr lange dauern», grunzte Munisai hinter seinem Tuch.
    «Es wäre schön, wenn wir es endlich hinter uns bringen könnten», erwiderte der Hauptmann. «Ich bin das Warten leid. Es ist mir sogar schon egal, ob wir gewinnen oder verlieren.»
    «Wir verlieren nicht.»
    «‹Wir›?» Der Hauptmann lächelte schief. «Es ist doch gar nicht gesagt, dass wir dann noch auf derselben Seite sind, oder?»
    Seine Stimme klang keineswegs boshaft. Man hielt einander ganz leidenschaftslos Messer an die Kehle. Die Welt der Samurai.
    Dann kam Ukitas Burg in Sicht, noch im Bau, aber bereits ein schöner, imposanter Anblick. Jemand zog auf den Mauern hastig Shinmens blaue Standarte auf, Munisai aber bemerkte es kaum.
    Er hatte nur Augen für die drei Meter breite burgunderrote Seide daneben.

    Während der Audienz ertappte sich Munisai immer wieder dabei, wie er zu Ukitas Gemahlin hinüberblickte. Sie saß, schweigend und sittsam, seitlich hinter dem Fürsten. Ihr in der Mitte gescheiteltes Haar ergoss sich hinter ihr bis auf den Boden hinab, ihre Augenbrauen waren rasiert und durch Kohlestriche knapp unter dem Haaransatz ersetzt. Ein oder zwei Mal begegneten sich ihre Blicke, und dann erinnerten ihn ihre Augen an Yoshiko. Die beiden Frauen sahen einander zwar überhaupt nicht ähnlich, aber die Erinnerung an seine Gattin schien ihn nun ständig zu begleiten.
    Verbarg sich hinter diesen Augen ähnlicher Hass oder ähnliches Leid? Verachtete Ukitas Gemahlin ihren Mann und betrieb seinen Sturz? Oder war sie seine Vertraute, spielte sie die klassische, traditionelle Rolle der Ehefrau, die felsenfest zu ihrem Gatten stand und das Feuer ihres Mannes mit Vernunft und Mitgefühl zügelte? Ihr Gesicht blickte undurchdringlich, wirkte durch und durch wie das einer adeligen Samurai. Sie hätte Yoshiko sein können oder auch ein Engel – doch Munisai sah nur Ersteres in ihr. In gewisser Weise war das gut so. Es ging hier um das Schicksal ihres Sohnes, da sollte Yoshiko zugegen sein.
    Ja, er wollte sogar, dass Yoshiko zugegen war.
    Tatsächlich spielte Ukitas Gemahlin nur eine Rolle in einer Maskerade. Normalerweise war es Frauen nicht gestattet, bei den Geschäften der Männer zugegen zu sein. Da Ukita jedoch so einen bitteren Streit unter seinen Verbündeten nicht vor den Klatschbasen seines Hofs und den Gesandten anderer Höfe verhandeln wollte, hatte er sich mit seinen Gästen in einen kleineren Privatsaal im Innern der Burg zurückgezogen, um den Abend vorgeblich in vertraulicher Runde mit einigen Freunden und Gefolgsleuten zu verbringen. Natürlich sprachen trotzdem schon alle über den Zwischenfall, nur eben, ohne die Fakten zu kennen, die eine öffentliche Anhörung ihnen liefern würde.
    Wie nicht weiter verwunderlich, waren auch die Nakata gekommen, um Ukita ihr Anliegen vorzutragen. Darüber war Munisai nicht allzu besorgt. Eine Konfrontation war unausweichlich und dieser Tag dafür so gut geeignet wie jeder andere. Sie waren ein oder zwei Tage früher angereist, Ukita war aber bisher zu beschäftigt gewesen, um sie zu empfangen, daher hatten sie glücklicherweise noch keine Gelegenheit gehabt, ihr Gift zu verspritzen.
    Wachen waren nicht anwesend: Man hatte sie vor die Tür beordert und ihnen befohlen, alles zu überhören, was nicht nach einem Alarmruf klang. Die drei Gruppen saßen in genau abgemessener, höflicher, sicherer Entfernung voneinander: Shinmen und Munisai auf einer Seite, Nakata und Hayato auf der anderen, und auf einem flachen Podium vor ihnen Ukita nebst Gemahlin.
    Fürst Ukita war ein junger Mann, der aber eine Kälte an sich hatte, die ihn älter erscheinen ließ. Seine strenge Miene und sein Blick, der unablässiges Kalkulieren verriet, wirkten beunruhigend. Er ließ den Blick hin und her schweifen, erfasste und ordnete ein, als wäre die ganze Welt ein Abakus, der sich leicht ablesen ließ und der einfachsten Logik gehorchte, ehe er dann ein paar Perlen so verschob, dass er den größten Vorteil daraus zog.
    «Uns wurde zur Kenntnis gebracht», setzte der Fürst an, den umständlichen höfischen Stil in einem Tonfall

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