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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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sah immer wieder hin. Bei einer kurzen Reitpause blieb er neben Munisai stehen, während ihre Pferde aus dem flachen Wasserlauf soffen, in dem sie standen.
    «Euer Arm, Herr», flüsterte der Samurai.
    «Was ist damit?», gab Munisai in barschem Ton zurück.
    «Ist er … geheilt?», fragte der junge Mann, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand zuhörte.
    «Er war überhaupt nicht verwundet. Willst du damit etwa andeuten, ich sei geschwächt?»
    «Nein, Herr, natürlich nicht», erwiderte der Samurai nervös. «Ich … bitte um Verzeihung.»
    Er verneigte sich und lenkte sein Pferd so langsam und höflich er nur konnte von Munisai fort. Der ließ den Jungen zunächst zurückweichen, zog sich dann aber das Tuch herunter.
    «Kazuteru!», rief er ihm nach. Der Junge wandte sich um. «Du hast das gut gemacht. Ich danke dir.»
    Kurz leuchtete Stolz auf dem jungen Gesicht auf, bis Kazuteru wieder einfiel, dass ein Samurai bescheiden und demütig sein sollte. Sofort nahm er sich zusammen, nickte und ritt dann zum Pulk der anderen Männer hinüber, als hätte er lediglich einen Befehl erhalten, weiter nichts.
    Munisai band sich das Tuch wieder vors Gesicht und lächelte darunter grimmig. Der Junge musste nicht erfahren, dass seine Hilfe vergeblich gewesen war.
    Dann ritten sie weiter, und bald schon gingen die schmalen ländlichen Wege in fünfzehn Schritt breite Straßen über, die ebenso wohlbewacht wie vielbefahren waren. Sie passierten Handelskarawanen, begegneten weiteren Samuraitrupps und näherten sich allmählich der Stadt Okayama, wo die Burg des Fürsten Hideie Ukita stand. Ukitas Ländereien befanden sich im Südwesten Japans, wie die von Shinmen und Nakata, sodass sie ihm durch Schwur unterworfen waren. Ukita übte eine Macht aus, wie vielleicht im ganzen Land nur noch acht weitere Männer.
    Er war mit seinem Clan wahrlich gesegnet, denn seine Macht war ebenso die Folge langjähriger Ränkespiele wie schlichten Glücks: Seine Ländereien waren von alters her berühmt für ihre reichen Vorkommen an besten Eisenerzen, und das hatte viele Schwert- und Rüstungsschmiede in die Gegend gelockt. Schwerter aus Okayama-Stahl standen bald in höchstem Ansehen, und damit kamen die Samurai.
    Im Laufe der Jahrhunderte kamen so viele von ihnen, dass niemand – von den ranghöchsten Buchhaltern des Clans einmal abgesehen – genau im Bilde war, über welche Heeresstärke der Ukita-Clan gegenwärtig gebot. Man wusste nur, dass Ukita jederzeit nach Belieben fünftausend Mann herbeirufen konnte, die bereitwillig ihr Leben für ihn lassen würden. Binnen einiger Tage hätten es leicht auch zehntausend sein können, und innerhalb einer Woche konnte er die doppelte, wenn nicht gar die dreifache Anzahl dessen aufbieten. Das war eine Privatarmee, der kaum ein anderer Fürst Japans etwas entgegenzusetzen hatte.
    Diese Streitmacht war tatsächlich so stark, dass man den gegenwärtigen Fürsten Ukita, obwohl er gerade einmal vierundzwanzig Jahre zählte, für runzelig genug erachtet hatte, um ihn in den Rat der fünf Ältesten zu berufen.
    Dieser Rat war eine neue, aber sehr prestigeträchtige Einrichtung. Der Regent Toyotomi, über sechzig Jahre alt und bettlägerig, war sich seiner Sterblichkeit bewusst. Sein Erbe war ein fünfjähriger Knabe, und sicher würde Toyotomi seine Volljährigkeit nicht mehr erleben. Daher hatte er fünf der mächtigsten Männer des Landes ausgewählt und ihnen den Schwur abgenommen, seinen Sohn zum Manne heranzuziehen und seine Dynastie zu bewahren.
    Der Rat sollte die Zukunft Japans sichern; im Grunde aber waren es fünf Männer, die im Kreise standen und ihrem Nebenmann ein Messer an die Gurgel hielten. Toyotomi war kein Narr und hatte daher gewiefterweise fünf Fürsten ausgewählt, die vor allem eins taten: einander hassen. Ihre vielfältigen Feindschaften und Animositäten untereinander sollten verhindern, dass sich Fraktionen bildeten und ein Mann oder eine Seite womöglich seinem Sohn die Herrschaft streitig machte.
    Dieser eine Mann, das fürchteten alle, war Fürst Ieyasu Tokugawa. Die Männer nannten ihn den «geduldigen Tiger», und er galt als inoffizieller Nachfolger sowohl von Toyotomi als auch von dessen Herrn, dem längst verstorbenen Nobunaga Oda. Die drei hatten gemeinsam den langen, blutigen Feldzug geführt, der ihnen die Herrschaft über das Land gesichert hatte, und nun, da Toyotomis Kräfte schwanden, überstrahlte das militärische Geschick Tokugawas alles andere. Rein

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