Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
Vom Netzwerk:
zahlenmäßig konnte er sich zwar nicht mit Ukita messen, verfügte aber über solch taktisches Genie, dass, sollte der Geduldige Tiger Lust verspüren, nach der Macht zu greifen, der Ausgang dieses Konfliktes durchaus offen wäre.
    Eben das aber sollte der Rat verhindern, und solange der Regent noch am Leben war, funktionierte das auch. So geschwächt er sein mochte, gebot Toyotomi doch immer noch über die Macht, jedem von ihnen, auch Tokugawa, den Befehl zum Seppuku zu erteilen. Und da sie alle den dringenden Wunsch verspürten, ihre Eingeweide unangetastet zu lassen, präsentierte der Rat nach außen ein harmonisches Bild der Einigkeit und tat, als ehre er Toyotomis Sohn. Doch sollte Toyotomi eines Tages sterben und diese Drohung nicht mehr über ihnen schweben – wer konnte sagen, was dann geschehen würde.
    An jedem Kontrollpunkt ihres Verbündeten, den sie passierten und an dem sie argwöhnisch bis feindselig gemustert wurden, spürte Munisai, wie sich die Finger der Welt wieder um ihn schlossen. Das abgelegene Miyamoto hatte ihn eingelullt und in eine friedliche Konzentration versetzt, in der er nur an den Jungen gedacht hatte. Jetzt war er wieder zurück im Reich der Politik und Intrigen. Er versuchte, seine Gedanken zu fokussieren: Einzig und allein auf Ukita kam es an. Sollte der Fürst doch Pläne schmieden, in denen es um ganze Länder und riesige Armeen ging – Munisai interessierte weiter nichts als Ukitas Richtspruch über einen einzigen jungen Mann.
    Doch die Pläne des Fürsten überschatteten alles; in Okayama wimmelte es nur so von Samurai. Munisai konnte die rasierten Schädel mit hochgebundenen Haarknoten, die er in der Menge sah, gar nicht mehr zählen, und ihre schiere Zahl versetzte ihn in Erstaunen. Aus allen Ecken schien ununterbrochen der Klang von Schmiedehämmern zu kommen. Auf den Straßen rings um sie her drängten sich die Leiber. Ihre Eskorte, ein Hauptmann, den man ihnen am letzten Kontrollpunkt zugeordnet hatte, zeigte sich davon jedoch alles andere als beeindruckt.
    «Entschuldigt bitte die vielen Verzögerungen», sagte er zu Munisai, und seine Augen funkelten vor Wut, während sie darauf warteten, dass ein Händler seinen Karren beiseite bugsierte und den Weg frei machte.
    «Ist es hier immer so schlimm?», fragte Munisai.
    «Erst in jüngster Zeit. Die Stadt verwandelt sich in einen Menschensumpf. Mein Herr, Fürst Ukita, hat für die Invasion zehntausend Samurai aufgeboten. Allzu weit scheinen wir dabei aber nicht gekommen zu sein.»
    Wieder Politik, weitere Ablenkungen. Dass Toyotomi aufgrund seiner niedrigen Geburt nicht zum Shogun aufsteigen konnte, ließ ihm keine Ruhe, und daher saß der alte Mann nun im Bett, brütete über Landkarten von Korea und China und sah sich schon als himmlischen Kaiser beider Länder. Schließlich wäre selbst der Geringste aller Japaner thronwürdiger als jene Männer, die man drüben auf dem Festland als göttlich verehrte.
    Der erste Versuch einer Invasion war fünf Jahre zuvor schmählich gescheitert; man hatte die Millionen chinesischen und koreanischen Krieger, die sich Japan entgegenstellten, nicht überwinden können. Einen zweiten Versuch hatte man in diesem Jahr begonnen, und auch der geriet bereits ins Stocken. Ein erneutes Scheitern würde Toyotomis Mut endgültig brechen, und manche sahen schon Aasvögel über dem Regenten kreisen.
    «Es ist ein Albtraum, die alle zu verwalten», fuhr der Hauptmann fort. «Ganze Schiffsladungen von ihnen kommen wieder zurück, und ihre Papiere sind verloren oder verbrannt, sodass wir ihnen im Hafen neue ausstellen müssen. Die meisten von ihnen müssen Reiter in ihre Heimatorte entsenden, damit ihre Familie sie identifiziert, und während sie darauf warten, hocken sie eng beieinander auf den Schiffen. Wer als glattrasierter Mann hier ankommt, hat einen Vollbart, bis sich die Schranken in die Stadt für ihn öffnen. Aber das ist nur die halbe Geschichte. Wenn sie erst mal in der Stadt sind, zehntausend beschämte Krieger, die alle ihre Ehre wiederherstellen wollen … Oh, da gibt es Ärger über Ärger. Jede Nacht kommt es zu Kämpfen, und am nächsten Tag wird gekreuzigt. Doch so viele von ihnen man auch zur Abschreckung ans Kreuz nagelt: Das geht immer so weiter. Ich verstehe das nicht. Es ist, als hätten sie sich bei den verfluchten Chinesen oder Koreanern mit der Barbarei angesteckt.» Der Hauptmann seufzte. «Ehrlich gesagt werde ich froh sein, wenn endlich der Krieg beginnt.»
    Der

Weitere Kostenlose Bücher