Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
wiedergekommen? Ich weiß, dass Ihr Eure Teilnahme mit Verweis auf Eure Abstammung von den Fujiwara erzwungen habt. Würde ein Mann, der keinerlei Ambitionen mehr hegt, so lautstark auf so etwas beharren? Nein, Ihr wollt, dass Euer Name bekannt wird, Ihr strebt nach Anerkennung. Ihr wollt Eurem Leben einen Inhalt geben.
Also, dabei kann ich Euch behilflich sein. Ihr seid stark – kämpft für mich. Werdet wieder zu einem Samurai. Gemeinsam gehört uns ganz Japan. Wir sind jung und tapfer und wagemutig, aber vor allem sind wir tatsächlich unberechenbar! Dieses träge Land, beherrscht von alten Narren in silbernen Türmen, wartet nur darauf, genommen zu werden, und wir können das vollbringen! Wir könnten wie Leib und Seele auf dem Schlachtfeld sein – Ihr und ich, Munisai. Wir können das vollbringen und dem Namen Hirata seinen Stolz wiedergeben.»
Jetzt blickte der Fürst warmherzig und feurig, stand Munisai von Angesicht zu Angesicht gegenüber. In Munisai entflammte etwas, das er lange nicht mehr gespürt hatte. Jedoch wurde diese Flamme gleich wieder erstickt von dem vertrauten, schmerzlichen Gefühl der Verdammnis, das ihn ehemals hatte rasend werden lassen, das ihn nun aber an eine abgrundtiefe Scham kettete.
«Dieser Name lässt sich nicht mehr reinwaschen, das ist aussichtslos», sagte Munisai leise.
«Dann nehmt meinen Namen an», erwiderte Shinmen mit aufrichtigem Blick.
* * *
Am nächsten Tag, frisch gewaschen und rasiert und in einem feinen Kimono in Shinmens blauem Farbton, betrat Munisai die Arena, ein Holzschwert in der Hand und zum ersten Mal seit Jahren das Gefühl von Zugehörigkeit und Pflicht im Herzen. Der Zweikampf war schnell vorbei. Bei der ersten ungeschickten Bewegung seines Gegners schmetterte Munisai dessen Holzschwert beiseite, und der Mann kniff die Augen zusammen, den brutalen Hieb erwartend, den Munisai in so einer Situation bei anderen Kämpfen ausgeteilt hatte.
Doch Munisais Holzklinge sauste herbei und legte sich dem Mann ganz sanft an den Hals. Der atmete verblüfft aus, und dann setzte langsam der Beifall ein.
Er war ein Samurai.
Wie Munisai später erfuhr, war das alles ein abgekartetes Spiel gewesen. Bei dem Turnier war auch ein neutraler Fürst zugegen, und Shinmen hatte gehofft, ein Sieg in seinem Namen würde diesen Mann von seiner Stärke überzeugen und dazu bewegen, an seiner Seite in einen von Shinmen geplanten Krieg zu ziehen. Munisai war sich kurz betrogen vorgekommen und hatte kindischen Groll darüber empfunden, dass wohl doch nicht das Schicksal seinem Herrn die Hand führte, dann aber bedachte er, dass alles, was der Fürst gesagt hatte, tatsächlich eingetreten war. Sie hatten als ehrenhafte Samurai gekämpft, und Munisai hatte den Respekt vieler Männer zurückgewonnen. Wie ein tadellos ausgeführtes Seppuku alles tilgte, was man zuvor an Schändlichkeiten auf sich geladen hatte, zählten auch hier nicht die Beweggründe, sondern einzig und allein die perfekte, mustergültige Ausführung.
Auch wenn seine Seele verdammt blieb, hatte Shinmen ihm immerhin ermöglicht, Buße zu tun, hatte ihm das nötige Selbstwertgefühl gegeben, um sich Miyamoto und Bennosuke wieder zu stellen. Wenn der Mann, der damals vor dem Turnierfinale zu ihm gesprochen hatte, tatsächlich erneut zu ihm kam, bestand vielleicht doch noch eine Chance.
Jetzt, in dem Haus, in dem dieser Fürst indessen schlief, war der Moment gekommen, eher an die Zukunft als an die Vergangenheit zu denken. Munisai nahm seine Patrouille wieder auf und gestattete sich verhaltene Zuversicht.
Früh am nächsten Morgen brachen sie auf. Munisai bestand darauf, dass sie diesmal Shinmens Standarte trugen. Man entrollte das Banner, und dann ritten sie die Hänge hinauf und hatten das Tal und Miyamoto bald schon hinter sich gelassen. Bennosuke regte sich ein wenig im Schlaf, doch das ferne Hufgetrappel war zu leise, um ihn zu wecken. Der Junge konnte ihnen nicht helfen, denn was nun folgen würde, war Politik.
Der schnelle Ritt setzte Munisai zu. Jedes Mal, wenn sein Pferd bockte oder sich aufbäumte, zerrte es an seinem Arm und damit auch an der Wunde. Schließlich musste er sich ein Tuch vor den Mund binden, um sein schmerzverzerrtes Gesicht zu verbergen. Dabei schimpfte er lautstark über den Staub, der ihm angeblich in den Mund wehte.
Einer der Begleitsamurai ließ nicht ab, ihn neugierig zu beobachten. Er war noch jung und wandte jedes Mal verlegen den Blick ab, wenn er dabei ertappt wurde, doch er
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